Schreibaby: Ursachen und Behandlung

Wenn Babys an Koliken leiden und viel schreien, geraten Eltern an ihre Grenzen.

Die Symptome von Säuglingskoliken treten – meist in den frühen Abendstunden – in den ersten drei Lebensmonaten des Kindes auf. Manchmal halten sie länger an. Abgesehen vom übermässigen Schreien entwickelt sich das Baby unauffällig. Da es sich aber oft nicht beruhigen lässt, fühlen sich die Eltern hilflos. Manche machen sich zudem Sorgen, weil sie befürchten, dass hinter dem Schreien eine ernsthafte Erkrankung stecken könnte.

Schreibaby: Die Ursachen

Was genau die Ursachen von Säuglingskoliken sind, ist nach wie vor unklar. Raoul Furlano, Leiter der Gastroenterologie und Ernährungsberatung am Universitäts-Kinderspital beider Basel, weiss: «Manche Wissenschaftler vermuten, dass Schreibabys nicht von Bauchschmerzen geplagt werden, sondern Mühe haben, die vielen Reize in ihrer Umgebung zu verarbeiten.» Häufig hätten betroffene Kinder auch Schwierigkeiten, einen Schlaf-wach-Rhythmus zu finden. Es gibt aber auch Studien, die einen Zusammenhang mit dem seelischen Zustand der Mutter während der Schwangerschaft oder ihrer sozioökonomischen Situation belegen. Leidet die Schwangere an Depressionen oder Ängsten bezüglich der Schwangerschaft, lebt sie getrennt vom Vater des Kindes, ist sie im Job negativem Stress ausgesetzt oder raucht sie, steigt das Risiko, dass ihr Baby viel schreien wird.
Bei vielen Schreibabys wirkt der Bauch gebläht. Als Ursache dafür kommen verdauungsbedingte Blähungen, aber auch Luft, die das Baby beim Schreien schluckt, in Frage. Raoul Furlano weist darauf hin, dass es auch Säuglingskoliken gibt, die nicht zu einer Blähung des Bauchs führen.

Diagnose

Die Diagnose «Säuglingskolik» wird heute gestellt, indem andere Erkrankungen, die ebenfalls zu häufigem Schreien führen können, ausgeschlossen werden. Dazu zählen diverse Magen-Darm-Krankheiten wie zum Beispiel saures Aufstossen, eine Entzündung oder Einstülpung des Darms oder Verstopfung. Bei einigen Kindern liegt die Ursache für das Schreien in einer Allergie gegen Kuhmilcheiweiss. Diese Allergie, an der zwei bis drei Prozent der Säuglinge und Kleinkinder leiden, tangiert das Immunsystem, kann die Atemwege beeinträchtigen und zu Ausschlag, Durchfall oder Erbrechen führen. Manchmal kann auch ein Schiefhals für das Schreien verantwortlich sein; er bedarf einer physiotherapeutischen Behandlung.

Die Darmflora

Seit einigen Jahren setzt sich die Forschung verstärkt mit der bakteriellen Besiedelung des Darms von Babys auseinander. In der Fachsprache nennt man die Darmflora Mikrobiom. Laut Raoul Furlano wurden mittlerweile Erkenntnisse gewonnen, die auch für den Umgang mit Säuglingskoliken wichtig sind. Er erklärt: «Diverse Studien konnten nachweisen, dass die Mikrobiome von Babys mit und ohne Koliken sich voneinander unterscheiden.» Man weiss auch, dass die Zusammensetzung der Bakterien im Darm davon beeinflusst wird, ob ein Kind vaginal geboren und später gestillt wird oder durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommt und nicht gestillt wird. Neuere Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass die Zusammensetzung der Bakterien im Darm einen Einfluss auf die Darmbewegungen, das Immunsystem, den Fettstoffwechsel und sogar die Gehirnentwicklung hat.

Neue Behandlungsansätze

In der Medizin gehören die Dreimonatskoliken zu den funktionellen Darmstörungen, die sehr schmerzhaft sein können. «Heute wissen wir aber noch nicht genau, wie wir diese Schmerzen bekämpfen können», sagt Raoul Furlano. Fest steht, dass Schmerzmittel bei Säuglingskoliken nicht helfen. Auch Mittel mit dem Wirkstoff Simeticon, der Blähungen lindern soll und vor einigen Jahren häufig bei Babys mit Koliken eingesetzt wurde, haben sich in neueren Studien als wirkungslos erwiesen. Hingegen kamen diverse Forscher zum Schluss, dass Probiotika, die den Limosilactobacillus reuteri (früher bekannt als Lactobacillus reuteri) des Stamms DSM 17938 enthalten, die Schreizeit bei Koliken deutlich verkürzen und auch gewisse Entzündungsmarker im Darm reduzieren können. Für Experten sind diese Erkenntnisse vielversprechend. Raoul Furlano wendet aber ein: «Bis wir die Wirkung und das Zusammenspiel diverser Bakterien im Darm genau verstehen, wird es noch einige Jahre dauern.»
In der Praxis werden Probiotika mit L. reuteri DSM 17938 (BiGaia-Tropfen) oft von Hebammen, Mütterberaterinnen und Kinderärzten empfohlen. Auch Marc Sidler, Oberarzt Gastroenterologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel, setzt die Tropfen ein. Er sagt: «Viele Eltern sind froh, wenn sie in dieser schwierigen Phase ihres Kindes ein Präparat zur Hand haben, das in gewissen Fällen helfen kann.» Wenn Eltern die Tropfen einsetzen wollen, empfiehlt der Fachmann, sie für zwei Wochen auszuprobieren und zu sehen, ob das Schreien tatsächlich abnimmt. Ist dies der Fall, sei der Einsatz sinnvoll.
In Apotheken und Drogerien sind homöopathische Mittel (z.B. Viburcol) erhältlich, die speziell für Säuglinge konzipiert sind und bei Koliken eingesetzt werden können.

Zuwendung für Kind und Eltern

Als wichtigste Massnahme gegen übermässiges Schreien bezeichnet Raoul Furlano im Moment immer noch die Zuwendung, und er sagt: «Allerdings braucht nicht nur der schreiende Säugling eine grosse Portion davon, sondern auch seine Eltern, die häufig mit den Nerven am Ende sind.» Er empfiehlt betroffenen Eltern, Schreisprechstunden zu nutzen, die von vielen Kinderspitälern angeboten werden, das Gespräch mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt zu suchen und Freunde und Verwandte um Entlastung zu bitten.
Marc Sidler weiss aus Erfahrung, dass sich viele Schreibabys durch Körperkontakt beruhigen: «Im Tragetuch fühlen sich Babys geborgen. Das zeigt auch die Tatsache, dass übermässiges Schreien bei afrikanischen Völkern, wo die Mütter ihr Kind den ganzen Tag auf dem Rücken tragen, kaum bekannt ist.» Die Befürchtung, dass die Eltern ihr Kind dadurch zu sehr verwöhnen und Gefahr laufen, dass sie ihr Kind ständig herumtragen müssen, sei unberechtigt. Wichtig seien allerdings Geduld und die Gewissheit, dass die schwierige Phase vorbeigehen wird.

Schreibaby: Definition

Wenn ein Säugling während mindestens drei Stunden an mindestens drei Tagen pro Woche während mehr als drei Wochen schreit, spricht man von einer Säuglingskolik. Etwa 16 bis 29 Prozent der Babys sind davon betroffen. Meist beginnen die Koliken in der zweiten Lebenswoche, bei den meisten Babys lassen sie nach drei Monaten nach. Deshalb werden sie auch Dreimonatskoliken genannt. Acht Prozent der betroffenen Säuglinge schreien auch nach dem dritten Monat noch übermässig.

Tipps zur Beruhigung von Schreibabys

  • Setzen Sie Ihr Kind nicht zu vielen Reizen aus (tragen Sie es bspw. im Tragetuch so, dass es in Ihre Richtung schaut).
  • Wenden Sie sich Ihrem Kind zu und nehmen Sie Blickkontakt auf.
  • Achten Sie darauf, dass es regelmässig schlafen kann.
  • Legen Sie Ihr Kind bäuchlings auf Ihren Bauch und streicheln Sie seinen Rücken oder klopfen Sie sanft darauf.
  • Massieren Sie vorsichtig seinen Bauch.
  • Tragen Sie es im Tragetuch herum.
  • Geben Sie Ihrem Baby nach Rücksprache mit der Kinderärztin oder dem Kinderarzt versuchsweise während zweier Wochen Tropfen mit Limosilactobacillus reuteri DSM 17938. Nimmt das Schreien ab, kann ein weiterer Einsatz sinnvoll sein.
  • In Apotheken und Drogerien sind homöopathische Mittel (z.B. Viburcol) erhältlich, die bei Säuglingskoliken eingesetzt werden können.
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Zulassungsinhaberin: ebi-pharm ag, 3038 Kirchlindach

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Filed under: Gesundheit

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Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.