Warum Schreien nervt

Weinen ist für einen Säugling die einzige Möglichkeit zur verbalen Kommunikation. Wenn ein Baby weint, heisst das nicht unbedingt, dass ihm etwas fehlt.

Ein schreiendes Baby kann seine Eltern an psychische und physische Grenzen führen, die für sie ganz neu sind. Die Mütterberaterin Manuela Meyer-Mäder dazu: «Erwachsene setzen Weinen meist mit Schmerzen gleich. Eltern wollen für ihr Kind das Beste und versuchen deshalb häufig, einen medizinischen Grund für das Schreien zu finden. Ein solcher liegt aber nur selten vor.» Für die Eltern ist es eine grosse Herausforderung, mit dem Schreien ihres Kindes umgehen zu lernen, es auszuhalten und zu akzeptieren, dass ein Baby auch ohne ersichtlichen Grund weinen kann. In den ersten zwei, drei Monaten nach der Geburt muss ein Kind sehr viel lernen, macht grosse Entwicklungsschritte und wird mit diversen Reizen konfrontiert, so dass es vor allem in den Abendstunden öfter weint. Bis zu zweieinhalb Stunden pro Tag sind völlig normal. Wenn es den Eltern nicht gelingt, ihr Baby zu beruhigen, sind sie verunsichert, verängstigt oder gar frustriert. Ein schreiendes Baby belastet auch die Paarbeziehung, und viele Eltern fühlen sich mit einem schreienden Säugling alleingelassen.

Mit dem Schreien umgehen lernen

Manuela Meyer-Mäder rät den Eltern, Hilfe zu holen, bevor sie an ihre Grenzen stossen. «Das fällt vielen nicht leicht, denn sie wollen möglichst alles im Griff haben und perfekte Eltern sein», sagt Meyer-Mäder. Die Mütterberaterin, der Kinderarzt, Selbsthilfeorganisationen oder im Akutfall auch der Elternnotruf können Unterstützung leisten. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen Eltern. Schreit ein Baby übermässig viel (mehr als drei Stunden an drei Tagen pro Woche, und dies über einen Zeitraum von drei Wochen) müssen körperliche Probleme ausgeschlossen werden. Heute weiss man, dass nur selten Drei-Monats-Koliken hinter dem Schreien stecken. In den ersten Lebensmonaten muss ein Baby zuerst lernen, sich selber zu beruhigen. Wenn sich Eltern bewusst mit dem Schreien auseinandersetzten, werden sie realisieren, dass sie nichts falsch machen. Ein Gespräch mit der Mütterberaterin kann helfen, individuelle Entlastungsstrategien zu finden. Manchmal können auch alternativmedizinische Methoden etwas bewirken.

Cool bleiben

Laut Manuela Meyer-Mäder ist die grosse Herausforderung für die Eltern, Mut zur Gelassenheit zu entwickeln. Schreien ist übrigens nicht nur in der westlichen Kultur bekannt. Andere Kulturen gehen mit dem Schreien einfach anders um, zum Beispiel indem die Mütter die Kinder häufiger herumtragen.

Tipps: Was Babys beruhigt

Leider gibt es kein Patentrezept. Diese Tipps sind jedoch das Ausprobieren wert:

  • Unterstützen Sie Ihr Kind beim Finden seines eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus.
  • Reduzieren Sie die Aussenreize.
  • Tragen Sie Ihr Baby herum.
  • Gehen Sie mit ihm spazieren (auch mal am Abend, wenn es weint).
  • Singen Sie ihm etwas vor oder stellen Sie die Musikdose an.
  • Einige Babys beruhigen sich in warmem Wasser.
  • Massieren Sie Ihr Baby; manchmal reicht es aus, die Füsschen zu streicheln.
  • Bieten Sie Ihrem Baby einen Nuggi an, wenn es gut an der Brust trinkt.
  • Unterstützen Sie sich als Paar und als Eltern gegenseitig und verzichten Sie auf Schuldzuweisungen.
  • Erkundigen Sie sich bei der zuständigen Mütter- und Väterberatungsstelle nach Unterstützungsmöglichkeiten und holen Sie frühzeitig Hilfe.

Info: Schütteln ist gefährlich

Wenn Sie spüren, dass Sie als Eltern mit den Nerven langsam am Ende sind, legen Sie Ihr schreiendes Baby ins Bett und verlassen den Raum für ein paar Minuten. Nehmen Sie eine Dusche oder gehen Sie kurz an die frische Luft, um Abstand zu gewinnen und sich selber zu beruhigen. Schütteln Sie Ihr Kind niemals! Das kann zu schwersten Verletzungen oder sogar zum Tod des Säuglings führen.