Wissenswertes zu Karies

Schweizer Kinderzahnärzte sind beunruhigt. Gerade bei kleinen Kindern beobachten sie deutlich mehr Karies. Grund: die heutigen Essgewohnheiten und kleine Veränderungen im Zahnschmelz, deren Ursachen man noch nicht kennt.

Bei der Geburt haben Kinder noch keine Karies verursachenden Bakterien im Mund. Diese werden von Mensch zu Mensch übertragen. Bereits in den ersten drei Lebensjahren wird festgelegt, aus welchen Bakterien sich die Mundflora eines Menschen zusammensetzt. Haben Kinder in dieser Zeit häufig Kontakt mit Säure produzierenden Bakterien, entsteht ein Ungleichgewicht zwischen freundlichen und unfreundlichen Bakterien, und die Kariesanfälligkeit steigt. Der Kinderzahnarzt Dr. Rolf Ammann aus Zürich empfiehlt deshalb Erwachsenen, den Nuggi eines Babys nie abzulecken und nie einen Löffel mit einem Kind zu teilen. «Eltern und Geschwister schützen das Baby auch, indem sie selber auf eine gute Mundhygiene achten», ergänzt Rolf Ammann.

Ab dem ersten Zahn

Gesunde Milchzähne sind die beste Basis für ein gesundes bleibendes Gebiss. Sobald der erste Zahn durchbricht, kann er von Bakterien besiedelt werden. Rolf Ammann empfiehlt, schon den ersten Zahn immer morgens und abends zu putzen. Bei Zuckerkonsum sollten die Zähne auch am Mittag oder nach dem Konsum von Süssigkeiten gereinigt werden. Das in Zahnpasten enthaltene Fluorid macht den Zahn säureresistent und bindet Kalzium fester an den Zahnschmelz. Da kleine Kinder die Zahnpasta gern verschlucken, sollte man nur wenig auf die Bürste auftragen. Grundsätzlich sollte man nach dem Putzen nicht den Mund ausspülen, sondern nur die Zahnpasta gut ausspucken. Dadurch kann das Fluorid seine Wirkung länger entfalten.

Putzen bei den Kleinsten

Bei Babys und Kleinkindern klappt es mit dem Putzen am besten, wenn sie rücklings auf dem Schoss von Mutter oder Vater sitzen, sich nach hinten lehnen und ihren Kopf in die linke Armbeuge des Erwachsenen legen (für Linkshänder: rechte Armbeuge). Mit der einen Hand können die Eltern den Kopf des Kindes stabilisieren und die Unter- bzw. Oberlippe anheben, damit die Zähne vom Zahnfleisch her gereinigt werden können. Bei Milchzähnen ist eine Kinderzahnpasta empfehlenswert. Sobald der erste bleibende Zahn durchbricht, schützt Juniorzahnpasta mit einem höheren Fluoridgehalt oder eine Zahnpasta für Erwachsene besser.

Motorische Herausforderung

Schon die Kleinsten sollen in Anwesenheit der Eltern mit der Zahnbürste hantieren dürfen – gründlich nachputzen, speziell am Abend, müssen aber immer die Eltern, idealerweise so lange wie möglich, mindestens aber bis zum achten Altersjahr. Denn Zähneputzen ist für Kinder eine motorische Herausforderung. Ausserdem ist es für viele Kinder nicht leicht, sich aufs Zähneputzen zu konzentrieren. «Beim Kleinkind ist die Technik weniger wichtig als das Ritual. Kinder sollten verinnerlichen, dass man nach den Hauptmahlzeiten nicht nur das Geschirr abwäscht, sondern auch die Zähne reinigt. Das elterliche Vorbild spielt eine zentrale Rolle», sagt Rolf Ammann. Die Eltern müssen die Bewegungen regelmässig mit dem Kind üben, am besten vor einem Spiegel. Am leichtesten lernen Kinder ihre Zähne nach System zu putzen: Kauflächen zuerst, dann die Aussenflächen und zuletzt die Innenflächen. Geputzt wird immer von Rot nach Weiss, also vom Zahnfleisch her über den Zahn. Die Zähne sollen gründlich, aber sanft gereinigt werden. Kraftvolles Schrubben schädigt das Zahnfleisch und über die Jahre den -schmelz. Spätestens wenn die Borsten der Zahnbürste seitlich abstehen, muss sie ausgewechselt werden.

Die Rolle der Ernährung

Entscheidend für die Zahngesundheit ist neben der regelmässigen Zahnhygiene die Ernährung. Der Mensch hat eine angeborene Vorliebe für den süssen Geschmack. Einem Kind Süssigkeiten komplett zu verbieten ist illusorisch und auch nicht sinnvoll, weiss Rolf Ammann aus eigener Erfahrung – er ist Vater von drei Kindern. Wichtig ist jedoch der bewusste Umgang mit zuckerhaltigen Speisen. Das Kariesrisiko steigt, wenn die Milchzähne auch zwischen den Hauptmahlzeiten immer wieder mit Zucker in Kontakt kommen oder das Kind sich von klein auf an Süssgetränke gewöhnt. Ein Guetsli hier, eine Glace dort und immer wieder Sirup zwischendurch schadet den Zähnen mehr als ein Dessert nach einer Hauptmahlzeit. Besonders verheerend ist es, wenn Kinder nachts zuckerhaltige Getränke trinken, dazu zählt auch Milch. «Zucker wandelt sich sofort in Säure um. Nachts ist der Mund trocken und nur sehr reduziert durch Speichel geschützt», erklärt Rolf Ammann.

Fluoridlack schützt

Neu durchbrechende, bleibende Zähne sind nicht ausgereift und deshalb speziell anfällig für Karies. Rolf Ammann empfiehlt das Auftragen eines schützenden Fluoridlacks zweimal pro Jahr durch einen Zahnarzt vor allem bei Kindern mit einer engen Zahnstellung, bleibenden Zähnen mit tiefen Furchen oder mit Karies an den Milchzähnen. Fluoridlacke schützen die Zähne vor einem Säureangriff und fördern die Kalziumaufnahme. Studien haben gezeigt, dass Fluoridlack die Kariesrate bei Risikokindern deutlich zu senken vermag, Karies jedoch nicht ganz verhindern kann. Bei einer engen Zahnstellung kann die Reinigung der Kontaktstellen zwischen Milchbackenzähnen und bleibenden Backenzähnen mit Zahnseide einen zusätzlichen Schutz bieten.

Wie entsteht Karies?

Auf der Zahnoberfläche tummeln sich Bakterien, die aus Zucker Säure produzieren. Erhalten diese Bakterien viel und/oder oft Zucker oder zuckerhaltige Lebensmittel, löst die permanente Säureattacke Kalzium aus dem Schmelz, der Zahn bricht ein und es entsteht ein Loch. Unser Körper versucht mit dem Speichel die Säure zu neutralisieren und den Defekt mit Kalzium aufzufüllen. Dieser Reparaturprozess wird durch Fluoride erleichtert.
Karies ist nicht nur ein ästhetisches Problem, sondern sie ist auch für verschiedene gesundheitliche Probleme verantwortlich.

Der erste Zahnarztbesuch

Kinder sollten spätestens mit fünf Jahren zum ersten Mal zum Zahnarzt. So können allfällige Schäden behoben werden, bevor mit sechs Jahren die ersten bleibenden Zähne durchbrechen. Sofort zum Zahnarzt sollten die Eltern mit ihrem Kind, wenn ihnen etwas Aussergewöhnliches auffällt. Wichtig ist, dass der erste Besuch beim Zahnarzt positiv in Erinnerung bleibt. Schimpfen oder Schmerzen führen nicht dazu, dass sich das Kind der Wichtigkeit der Zahnpflege bewusst wird, sondern dass es die Zahnmedizin möglichst meidet.