Warum Spielen so wichtig ist

Spielen ist für Kinder die elementarste Form des Lernens. Über das Spiel entwickeln sie Kompetenzen in den Bereichen Gefühle, soziales Verhalten, Bewegung und Denken.

Beim Spielen lernen Kinder fürs Leben. Dabei brauchen sie Anreize von Menschen, Gegenstände wie Spielsachen und die Möglichkeit, verschiedene Erfahrungen zu machen. Im Spiel üben sie Verhaltensweisen, die sie später gezielt einsetzen. Wenn der Säugling beispielsweise Laute seiner Eltern nachahmt, tut er dies, weil es ihm Spass macht. Gleichzeitig bildet dieses Laute-Nachahmen aber auch die Grundlage für das Sprechen. Alle Erfahrungen, die das Kind beim Spielen sammelt, sind für seine Entwicklung relevant. Das Spielen ist nicht zweckgebunden oder zielgerichtet, sondern erlebnisgesteuert, ganz nach dem Motto «Der Weg ist das Ziel».

Spielerisch die Welt entdecken

Beim Spielen begreift das Kind im wahrsten Sinn des Wortes die Welt um sich herum, sich selbst, Geschehnisse und Situationen, Beobachtungen und Erlebnisse. Im ersten Lebensjahr erfasst das Baby alle möglichen Gegenstände mit dem Mund und ist dabei nicht wählerisch: Ob Kieselsteine, Sand, Besteck oder Stofftiere – alles wird in den Mund gesteckt und so erforscht. Gegen Ende des ersten Lebensjahrs wird das Erkunden über Mund und Hand immer öfter um intensives Betrachten ergänzt. Das Kind hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine Menge über Gegenstände und Materialien gelernt und beginnt nun, Zusammenhänge zu erkennen. «Wenn ich meinen Löffel auf den Boden werfe, kommt er nicht von selbst wieder hoch.» Diese Erfahrung ist für ein Baby so eindrücklich, dass es sie ständig wiederholen will. Mit grossem Spass wird es Gegenstände aus seinem Hochstuhl werfen, was den Eltern viel Geduld abverlangt. Auch Guguus-dada-Spiele sind im ersten Lebensjahr wichtig. Das Kind lernt so, dass nicht alles, was nicht mehr sichtbar ist, auch tatsächlich verschwunden ist. Wenn die Mutter zum Beispiel ins Bad geht, ist sie dennoch ganz in der Nähe. Die einfache Form des Verschwindens hinter einem Tuch oder einer Tür wird später vom Versteckspiel abgelöst.

Von anderen Kindern lernen

Während im ersten Lebensjahr der Austausch zwischen Eltern und Kind im Vordergrund steht, wird ab dem zweiten Lebensjahr der Kontakt mit anderen Kindern immer wichtiger. «Fehlt dieser Kontakt, stellt das Kind Ansprüche an die Bezugspersonen, die diese nicht oder nur mit Mühe erfüllen können», sagt Prof. Remo Largo, Entwicklungspädiater und Autor des Bestsellers «Babyjahre». Für Erwachsene ist es schwierig bis unmöglich, dem Kind die Erfahrungen mit anderen Kindern zu ersetzen. Interessant ist, dass Kinder bis ins dritte Lebensjahr zwar den Kontakt zu anderen Kindern schätzen, aber nur wenig miteinander spielen und noch kaum aufeinander eingehen können. «Sie spielen parallel, beobachten und lernen voneinander», ergänzt Remo Largo.

In eine Rolle schlüpfen

Zwischen dem dritten und dem fünften Lebensjahr werden Rollenspiele immer wichtiger. Kinder stellen Szenen aus ihrem Alltag nach und nehmen dabei unterschiedliche Rollen ein. Mit etwa drei bis vier Jahren sind Kinder von fiktiven Gestalten und Märchen fasziniert. Feen, Hexen und Zauberer werden im Spiel zu realen Wesen. Diese magische Phase kann bis ins Schulalter andauern. Mit etwa vier Jahren ist das Kind fähig, sich in andere Menschen zu versetzen.

Spielen im Freien

In der Natur können Kinder in der Erde buddeln, Schnecken beobachten oder mit Wasser spielen. «Die Natur spricht alle Sinne des Kindes an», sagt Remo Largo. Im Freien erfährt das Kind zudem, was es bewirken kann, zum Beispiel wenn es in eine Pfütze springt oder einen Stein in den Bach wirft. Nicht zuletzt kann es in der Natur seinen Bewegungsdrang ausleben. Dies erklärt, warum sich Waldspielgruppen heute so grosser Beliebtheit erfreuen.

Bereit für die Schule

Kinder, die in den ersten Jahren vielfältige Anregungen zum Spielen oder zum Mittun (zum Beispiel Mithelfen im Haushalt) erhalten haben, sind für die Schule besser gerüstet als Kinder, die viel Zeit allein im Zimmer spielend oder vor dem Fernseher verbracht haben. Am leichtesten lernen Kinder beim Spielen, wenn sie Spass dabei haben. Neben den Eltern spielen Kinderkrippen und Spielgruppen eine wichtige Rolle in der frühkindlichen Bildung. Hier haben Kinder die Gelegenheit, mit anderen Kindern zu spielen, draussen herumzutollen, zu basteln, zu beobachten, zu singen und in Phantasiewelten einzutauchen. «Das bringt mehr als eine Ballettstunde, denn Kleinkinder lernen enorm viel voneinander. Es klingt etwas hart, ist aber deshalb nicht weniger wahr: Auch die beste Mutter kann andere Kinder nicht ersetzen», erklärt Remo Largo.

Viel Spass für wenig Geld

Warum Spielsachen immer kaufen? In der Schweiz gibt es rund 400 Ludotheken, die Spielsachen für Babys und Kleinkinder, aber auch für Schulkinder und Erwachsene zu günstigen Konditionen ausleihen. Ludotheken bieten von Bauklötzen über Brettspiele bis zum Trottinett ein sehr breites Angebot an Spielzeug, darunter immer auch Neuheiten. Zudem offerieren viele Ludotheken Beratung zu Spielen und dienen auch als Treffpunkt für Eltern und Kinder. Eine Ludothek in Ihrer Nähe finden Sie unter www.ludo.ch.

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Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.