Fieber beim Baby und Kleinkind

Kleinkind Fieber

Im Interview erklärt Dr. med. Andreas Geiser, Kinderarzt in Schlieren und Lehrarzt an der Universität Zürich, was Eltern wissen müssen, wenn ihr Baby oder Kleinkind Fieber hat.

Dr. med. Andreas Geiser, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Lehrarzt an der Universität Zürich

Warum bekommt das Baby oder Kleinkind Fieber?

Unsere Körpertemperatur variiert im Lauf des Tages und steigt bei körperlicher Aktivität an. Für die Regelung der Körpertemperatur ist eine Art Thermostat in unserem Hirn verantwortlich. Dieser wird bei einer Infektion mit Viren oder Bakterien durch Ausschüttung bestimmter Stoffe verstellt, so dass wir Fieber bekommen. Das hat die Natur so eingerichtet, denn bei erhöhter Körpertemperatur können sich Viren und Bakterien schlechter vermehren. Ob ein Kind bei einem Infekt Fieber macht oder nicht, ist jedoch individuell.

Viele Eltern machen sich Sorgen, wenn ihr Kleinkind Fieber hat. Sind diese Ängste berechtigt?

Nein, grundsätzlich ist Fieber kein Ausdruck dafür, wie krank ein Kind ist. Es gibt Kinder, die sind schwer krank und haben kein Fieber und andere sind munter trotz des hohen Fiebers. Ich rate Eltern, die sich Sorgen um ihr fiebriges Kind machen, mehr auf seinen Allgemeinzustand und weniger auf das Fieberthermometer zu achten. Wenn das Kind trotz Fieber noch spielen und plaudern mag und gut trinkt, muss es nicht sofort zum Arzt.

Woher rührt denn diese Angst vor dem Fieber?

In der Antike glaubten die Menschen, dass Fieber per se eine Krankheit sei. Wie Fieber heute beurteilt wird, ist auch kulturell bedingt. In meiner Praxis haben 80 Prozent meiner kleinen Patienten einen Migrationshintergrund. Insbesondere Eltern, die aus dem Balkan stammen, machen sich bei Fieber oft grosse Sorgen, weil sie vielleicht jemanden in der Verwandtschaft kennen, der seit einer Krankheit mit hohem Fieber behindert ist. Sie sind sich aber nicht bewusst, dass diese Folgen nicht im Zusammenhang mit dem Fieber, sondern zum Beispiel mit einer Hirnhautentzündung oder einer Masernerkrankung stehen. Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir versuchen, für Schicksalsschläge eine plausible Ursache zu finden. Grundsätzlich müssen Eltern wissen, dass es keine Obergrenze gibt, bei der Fieber gefährlich wird.

Können Impfungen Fieber verursachen?

Aus meiner 20-jährigen Praxiserfahrung weiss ich, dass neun von zehn Kinder mit den neuen Impfstoffen nicht mehr mit Fieber auf eine Impfung reagieren. Ein Kind nicht zu impfen, weil es als vorübergehende Nebenwirkung Fieber machen könnte, wäre falsch, denn auch dank der Impfungen hat die Kindersterblichkeit in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen.

Muss ein Kind mit Fieber das Bett hüten?

Nein, wenn es ihm gut geht, soll es ruhig spielen dürfen.

Was können Eltern tun, wenn ihr Kind krank ist?

Wenn es sich nicht wohlfühlt, braucht es in erster Linie Zuwendung. Mir hat mein Vater jeweils eine Packung Orangensaft gebracht, als ich krank war. In den 70-er Jahren war das etwas Spezielles, und ich fühlte mich dadurch gut umsorgt.
Fieber muss man nicht unbedingt senken. Leidet das Kind zusätzlich an Kopf- oder Gliederschmerzen, kann der Einsatz von fiebersenkenden Schmerzmitteln sinnvoll sein. Fieber lässt sich aber auch durch Hausmittel wie Essigsocken reduzieren. Die kühlende Wirkung entsteht durch das Verdunsten des Wassers. Diese Methode sollten die Eltern aber nun dann anwenden, wenn das Kind sie als angenehm empfindet. Dasselbe gilt auch für das Auflegen eines kalten Waschlappens auf die Stirn oder ein kühles Bad. Kühlende Methoden sind nur angebracht, wenn das Kind schwitzt, also definitiv nicht, wenn es friert oder gar Schüttelfrost hat.

Welche fiebersenkenden Mittel empfehlen Sie bei Kindern?

In erster Linie Paracetamol. Bei adäquater Dosierung macht dieser bewährte Wirkstoff nie Probleme. Allerdings hält die Wirkung lediglich vier bis sechs Stunden an. Leidet das Kind stark, kann man ihm auch ein Antirheumatikum, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Ibuprofen, verabreichen. Dieser Wirkstoff wirkt sechs bis acht Stunden lang, kann aber in ganz seltenen Fällen Nierenprobleme machen. Paracetamol und Ibuprofen darf man auch kombiniert einsetzen.

Etwa zwei bis drei Prozent der Kinder zwischen sechs Monaten und sechs Jahren haben Fieberkrämpfe. Was müssen die Eltern darüber wissen?

Beim ersten Fieberkrampf erschrecken die meisten Eltern sehr. Der Krampf kann aussehen wie ein epileptischer Anfall, dauert in der Regel ein bis zwei Minuten, das Kind wird kurz bewusstlos und verdreht die Augen.
Heute wissen wir, dass sich Fieberkrämpfe nicht verhindern lassen, indem die Eltern ihrem Kind beim nächsten Infekt präventiv regelmässig fiebersenkende Mittel verabreichen. Beruhigend ist, dass ein Fieberkrampf zwar schlimm aussieht, aber keine Schäden hinterlässt.

Wann muss ein Kind mit Fieber sofort zum Arzt?

Wenn sein Allgemeinzustand deutlich reduziert ist, es auf Berührungen und Licht empfindlich reagiert, über starke Kopfschmerzen klagt, erbricht und anders ist als sonst. Weitere Alarmzeichen sind rote und blaue Flecken am Körper, die nicht verschwinden, wenn man draufdrückt, schwere Atemnot oder blaugefärbte Lippen. Auch wenn ein Kind erstmals einen Fieberkrampf erleidet oder dieser länger als drei Minuten dauerte, empfehle ich den Eltern, zügig einen Arzt aufzusuchen.
Ein fiebriges Kind, das jünger als sechs Monate ist, leichte Atemnotzeichen hat, reduziert ist, so dass es nicht mehr am Alltag teilnimmt oder einen erstmaligen Fieberkrampf erlitten hat, sollte noch am gleichen Tag zum Arzt.

Wann können die Eltern mit einer Arztkonsultation zuwarten?

Wenn das Fieber einer ungefährlichen Ursache klar zugeordnet werden kann, also wenn das Fieber zum Beispiel im Zusammenhang mit einem grippalen Infekt auftritt. Bei fiebrigen Kindern, die älter als sechs Monate sind, können die Eltern gut zwei bis drei Tage zuwarten, sofern der Allgemeinzustand des Kindes gut ist und das Fieber sich um ein 0.5 bis 1 Grad Celsius innerhalb von 60 bis 90 Minuten mit fiebersenkenden Massnahmen senken lässt.

Definition von Fieber und Messmethode im Universitäts-Kinderspital Zürich

Säuglinge jünger als 3 Monate: > 38°C rektal (im Anus gemessen)
Säuglinge zwischen 3 und 12 Monaten: > 38.5°C rektal
Kinder älter als 12 Monate (ab 1. Geburtstag): > 38.5°C im Ohr
Quelle: Das Kind mit Fieber: Wie messen? Wie handeln? Wie beraten? Michelle Seiler, Andreas Geiser und Christoph Berger, Paediatrica, Juli 2019.

Essigsocken

Essigsocken sind eine bewährte Methode zur Senkung von Fieber. Eltern sollte diese jedoch nur anwenden, wenn das Kind warme Füsse und Beine hat und die Wickel als angenehm empfindet. Und so geht’s: Tauchen Sie zwei Stofftaschentücher in Essig- oder Zitronenwasser, das kälter als 36 °C ist. Wringen Sie sie gut aus. Legen Sie die Tücher um die Waden und Füsse des Kindes. Ziehen Sie ein Paar Socken für Erwachsene darüber. Decken Sie das Kind nicht zu, damit die Wärme abgeleitet werden kann.

Merkblatt «Krank in der Krippe», Dr. med. Lara Gamper und Prof. med. Christoph Berger, Juni 2019