Insektenstiche bei Kindern

Insektenstiche

Stiche von Mücken, Bienen, Wespen und Co. sind lästig, heilen aber meist problemlos ab.

Wenn ein Baby oder Kleinkind von einem Insekt, speziell einer Biene oder Wespe, gestochen wird, erschrecken die meisten Eltern. Der Allergologe Arthur Helbling aus Bern rät, in dieser Situation Ruhe zu bewahren. Man sollte nicht herumfuchteln, da vielleicht noch mehr dieser Insekten in der Nähe sind. Er empfiehlt: «Am besten nimmt man das Kind in den Arm und tröstet es.» Es sollte sich möglichst wenig bewegen, da körperliche Aktivität die Giftaufnahme beschleunigen kann.

Sonderfall Bienenstich

Da der Stachel von Bienen mit kleinen Widerhäkchen versehen ist, bleibt er nach einem Stich meist in der Haut stecken. «Wenn keine Pinzette zur Hand ist, kann man den Stachel einfach mit dem Fingernagel entfernen oder mit einem Tuch wegreiben», sagt der Experte. Dass durch das Wegkratzen der Giftsack am Stachel erst recht entleert werde, stimme so nicht. Dies geschehe bereits innerhalb von wenigen Sekunden nach dem Stich.
Die Apothekerin Silvana Wenzinger von der Kinderapotheke TopPharm in Küttigen empfiehlt, die Einstichstelle zu desinfizieren und zu kühlen: «Damit es auf der empfindlichen Kinderhaut nicht zu lokalen Erfrierungen kommt, sollte die Stelle niemals mit Eis oder einem Coldpack aus dem Gefrierfach gekühlt werden.» Aloe-Vera-Gel, der Leucen Pic Roll-on Kids, ein Bach-Blüten-Gel, ein kalter Löffel aus dem Kühlschrank oder ein nasses Tuch reichten zur Kühlung aus. Bei mehreren Stichen hat sich laut der Apothekerin das Auftragen von Quark bewährt. Sie weiss: «Quark kühlt sehr gut.»
Dass auch die Applikation von Wärmestiften (< 50 °C) bei Insektenstichen hilft, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Arthur Helbling hat daran seine Zweifel: «Die Idee dahinter ist, dass Hitze die Eiweisse zerstört, die im Insektengift enthalten sind und für Schwellung und Rötung sorgen.» Silvana Wenzinger rät davon ab, Hitzestifte auf der Haut von Babys und Kleinkindern zu verwenden: «Die Gefahr von Verbrennungen ist zu gross.»

Juckreiz

Auch wenn Insektenstiche oft stark jucken, sollte möglichst nicht gekratzt werden. Durch Kratzen und Reiben verteilt sich das Gift besser im Gewebe. Zudem kann sich die Einstichstelle entzünden. Bei Insektenstichen helfen Antihistaminpräparate. Silvana Wenzinger weist darauf hin, dass bestimmte Antihistaminika in Tropfenform schon bei Babys ab einem Monat angewendet werden dürfen, Gels oder Salben nur punktuell. Am besten lassen sich die Eltern von einer Fachperson beraten. Bei sehr starkem Juckreiz können spezielle Pflaster mit lokal betäubenden Salben helfen. Arthur Helbling rät von der Verwendung einer Saugpumpe ab: «Diese traumatisiert das Gewebe, so dass es durchlässiger für das Gift wird.»

Stiche bei Kindern behandeln

Aloe-Vera-Gel (z.B. im Leucen Pic Roll-on Kids enthalten) und Bach-Blüten-Gel haben neben der kühlenden auch eine beruhigende Wirkung auf die Haut. In der Homöopathie werden bei Stichen vor allem Apis-Globuli empfohlen, die man dem Kind direkt in den Mund oder in etwas Wasser gelöst verabreichen kann. Als Hausmittel empfiehlt die Apothekerin, Zwiebel- oder Zitronensaft auf die Einstichstelle zu tupfen. «Diese Säfte lindern den Juckreiz», sagt Silvana Wenzinger. Auch ätherische Öle können helfen, bergen aber ein gewisses Risiko von Reizungen auf der Haut.

Heikle Stiche

Insektenstiche heilen meist problemlos ab. «Heikel sind Stiche im Mund- und Rachenraum, an der Zunge oder in der Speiseröhre», weiss Arthur Helbling. Da bei Stichen an diesen Stellen die Gefahr besteht, dass die Schwellung die Atmung oder das Schlucken behindert, muss das Kind möglichst sofort zum Arzt. Zu Stichen im Mund kommt es vor allem, wenn ein Kind aus einer Flasche oder Dose trinkt, die eine Weile herumgestanden ist. Der Allergologe empfiehlt deshalb, im Sommer im Freien aus Gläsern zu trinken.

Die allergische Reaktion

In der Schweiz sind rund 5 Prozent der Erwachsenen und 2 bis 3 Prozent der Kinder von einer Insektengiftallergie betroffen. Bei einer allergischen Reaktion reagiert der ganze Körper auf den Stich. Von einer allergischen Reaktion spricht man, wenn zum Beispiel ein Stich in den Finger zu einer Schwellung der Lippen oder des Gesichts führt, das Kind blau anläuft, weil es nicht richtig atmen kann, an Muskelspannung verliert, Nesselfieber zeigt und/oder apathisch wirkt. Der Blutdruck fällt, und manche Kinder müssen erbrechen oder leiden an Bauchkrämpfen. «Im schlimmsten Fall kann ein Insektenstich zu einem lebensbedrohenden anaphylaktischen Schock, also einem Herz-Kreislauf-Kollaps, führen», erklärt Arthur Helbling. Jedes Jahr sterben in der Schweiz drei Menschen an einer Insektengiftallergie. Seit den 1960er Jahren endete jedoch kein Insektenstich tödlich für ein Kind.
Um eine Allergie zu entwickeln, muss der Körper bereits Kontakt mit dem Insektengift gehabt haben. Falls sich allergische Antikörper gegen Gifteiweisse bilden, setzen sich diese auf den sogenannten Mastzellen im Körper ab. Beim nächsten Stich zerfallen diese Mastzellen, geben Botenstoffe ins Gewebe und ins Blut ab und lösen so eine allergische Reaktion aus.

Im Notfall richtig handeln

Wenn eine allergische Reaktion auftritt, braucht das Kind sofort medizinische Hilfe. Bei Bewusstlosigkeit muss es in Seitenlage gebracht werden, bis der Notarzt oder die Sanität vor Ort ist. Je nach Situation erhält das Kind eine Injektion mit Adrenalin und eine Infusion, so dass weitere Medikamente verabreicht werden können. Sind die Eltern oder das Kind im Besitz von Notfallmedikamenten, so gilt es diese einzusetzen wie mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen (für Babys und Kleinkinder in Tropfenform, für grössere Kinder in Tablettenform). Das Notfallset enthält Medikamente, nämlich ein Antihistaminikum, eine Kortisontablette und je nach Allergiegrad auch eine Adrenalin-Spritze. Kinder wie auch Erwachsene mit einer Insektengiftallergie sollten immer Notfallmedikamente bei sich tragen. Wichtig ist, dass die Eltern und ältere Kinder in der korrekten Handhabung der Medikamente und im Gebrauch der Adrenalinspritze instruiert sind.

Hilfe für Allergiker

Für Kinder ab dem Schulalter – in bestimmten Fällen ab dem fünften Lebensjahr –, die mit Atemnot und Kreislaufproblemen auf Bienen- oder Wespenstiche reagiert haben, empfiehlt Arthur Helbling eine Desensibilisierungsbehandlung. Er weiss: «Die Erfolgsquote der Immuntherapie gegen Wespengift liegt bei 95 Prozent und gegen Bienengift bei 85 Prozent.» Die Behandlung besteht in einer monatlichen Verabreichung von Spritzen und dauert bei Kindern drei bis fünf Jahre.

Heftige Reaktion vs. Allergie

Manche Menschen reagieren heftig auf Stiche. So kann beispielsweise ein Bienenstich in die Wade zum Anschwellen des ganzen Beins führen. In diesem Fall braucht es aber laut Arthur Helbling keine Abklärung, weil es sich dabei nicht um eine allergische Reaktion, sondern um eine ausgeprägte Lokalreaktion handelt. Er empfiehlt, die Schwellung zu kühlen, das Bein hochzulagern, ein Antihistaminikum einzunehmen und sich möglichst wenig zu bewegen, um eine weitere Verteilung des Gifts zu verhindern.

Insektenstichen vorbeugen

Mücken werden vom Schweissgeruch angelockt. Verschiedene ätherische Öle haben sich zur Abwehr der lästigen Plagegeister bewährt. Dazu zählen zum Beispiel Teebaum-, Lavendel-, Nelken-, Rosengeranie-, Zitroneneukalyptus-, Zitronengras- und Pfefferminzöl. Silvana Wenzinger empfiehlt, diese Öle zur Prävention von Stichen nicht auf die Haut, sondern lieber auf die Kleidung oder auf einen Duftstein neben dem Bett aufzutragen. Hilfreich im Kampf gegen Mücken sind auch engmaschige Insektengitter vor den Fenstern, ein Moskitonetz über dem Bett sowie das Tragen von langen Ärmeln, Hosen und Socken während der Dämmerung. Die Apothekerin rät bei der Verwendung von herkömmlichen Mückenschutzmitteln – zum Beispiel mit DEET – in unseren Breitengraden zur Vorsicht. Die Baby- und Kinderhaut ist sehr empfindlich, und der Wirkstoff kann sich im Körper ansammeln. Sie sagt: «Diese Abwehrstoffe kann man auf die Kleidung sprühen oder auf ein Tuch, das man neben das Bett legt.» Für Kinder ab sechs Monaten kann man Icaridin (10%) verwenden, bei der grossflächigen Verwendung über einen längeren Zeitraum ist allerdings Vorsicht geboten. Als unwirksam haben sich elektrische Stecker und die Einnahme von Vitamin B erwiesen.

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Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.