In der Schweiz verunfallen jedes Jahr 300 Kinder im Auto. Nur jedes zweite Kind ist richtig gesichert.
Eltern sind gesetzlich verpflichtet, ihre Kinder bis 12 Jahre oder 150 cm Körpergrösse im Auto mit einem Kinderrückhaltesystem zu sichern. Ohne Kindersitz ist das Risiko, dass sich ein Kind bei einem Unfall schwer verletzt oder getötet wird, dreimal höher, als wenn es korrekt gesichert ist. Es wird bei einem Unfall durch den Fahrzeuginnenraum geschleudert und prallt ungebremst gegen den Vordersitz, das Armaturenbrett oder die Windschutzscheibe, und das bereits bei geringer Geschwindigkeit. Nicht zuletzt wird ein ungesichertes Kind für Passagiere auf den Vordersitzen zur Gefahr. Jürg Reinhard, Experte für Kindersicherheit beim TCS, sagt dazu: «Kinder müssen zwingend richtig gesichert werden – auch für kurze Strecken.» Eine Babyschale brauchen Eltern bereits, um ihr Neugeborenes im Auto von der Geburtsklinik nach Hause zu transportieren.
Faktor Sicherheit
Der TCS testet jedes Jahr diverse Kinderrückhaltesysteme in Unfallsituationen auf ihre Sicherheit. Die Ergebnisse werden jeweils auf www.kindersitze.tcs.ch publiziert. Babys werden in einer rückwärts montierten Babyschale gesichert, in der Kopf, Halswirbelsäule und Rückenbereich bei einem Aufprall am besten abgestützt werden. Wichtig ist, dass der Gurt gemäss den Angaben des Herstellers korrekt geführt wird. Am besten aufgehoben sind Kinder auf den beiden äusseren Sitzen der Rückbank. Bei nur einem Kind ist die dem Gegenverkehr abgewandte Seite ideal.
Den nächstgrösseren Kindersitz brauchen die Eltern erst dann zu kaufen, wenn der Kopf des Kindes leicht über die Babyschale hinausragt. Die gleiche Empfehlung gilt übrigens auch für den nächstgrösseren Sitz für Kinder bis etwa vier Jahre. Auch bei diesem Sitz müssen die Eltern sicherstellen, dass er fest mit dem Auto verbunden und die Höhe des Kinderhaltegurts der Grösse des Kindes angepasst ist. Die Höhe ist dann perfekt, wenn der Gurt waagrecht auf Schulterhöhe in den Sitz einmündet. Sitze für ältere Kinder verfügen über eine höhenverstellbare Rückenstütze und einen Seitenaufprallschutz. Im Vergleich zu den einfacheren und günstigeren Sitzerhöhern ohne Rückenlehne, die vom Gesetzgeber ebenfalls zugelassen sind, bieten sie bei einem Unfall mehr Schutz. Im grössten Kindersitz wird das Kind mit dem normalen Sicherheitsgurt angeschnallt.
Risiko Bedienungsfehler
Kindersitze retten Leben. Doch auch der beste Sitz schützt nur dann, wenn er korrekt montiert ist und das Kind richtig angegurtet wird. Laut Jürg Reinhard ist das bei der Hälfte der Kinder nicht der Fall. Die häufigsten Fehler sind: Kindersitz zu locker eingebaut, Kinderhaltegurt zu locker, verdreht oder über der Jacke befestigt, falscher Gurtpfad, Gurtverlauf mit Halskontakt, Schultergurt unter dem Arm verlaufend, Kindersitz für das Kind zu gross oder zu klein, Beckengurt über dem Bauch verlaufend. Dadurch wird die Schutzwirkung von Kindersitzen zum Teil stark reduziert.
Risiko Zwischenraum
Grundsätzlich ist wichtig, dass die Gurten satt am Körper anliegen und zwischen ihnen und dem Kind kein Zwischenraum bleibt, denn in diesem Fall kann es passieren, dass der schmale Oberkörper des Kindes bei einem Unfall zwischen den Gurten durchrutscht und es nach vorne geschleudert wird. Im Winter sollten Kinder die Jacke am besten ausziehen oder zumindest öffnen, so dass der Gurt direkt auf dem Körper aufliegt.
Ein Blick zurück
Auch bei älteren Kindern, die sich schon selbstständig anschnallen können, sollten Eltern immer kontrollieren, ob der Gurt korrekt in der Führung über die Schulter und unter den Armlehnen verläuft. Dies verhindert bei einem Unfall den Kontakt mit dem Hals und das Hochrutschen des Beckengurts über den Bauch, das zu schweren inneren Verletzungen führen kann.
Kindersitz nur fürs Auto
Bei der Wahl des Sitzes spielt neben dem Aspekt der Sicherheit auch die Bequemlichkeit eine Rolle. Die Kinderphysiotherapeutin Christelle Anyig empfiehlt Eltern für die Heimfahrt von der Geburtsklinik deshalb als Alternative zum Sofortkauf, eine Babyschale zu mieten und sich später in aller Ruhe im Fachgeschäft beraten zu lassen: «Das Baby muss sich in der Schale wohlfühlen.» Sie rät davon ab, eine Babyschale zu wählen, die man auch als Aufsatz für den Kinderwagen nutzen kann – auch wenn dies praktisch erscheine und im Trend liege. In den ersten Lebensmonaten ist ein Kinderwagen, in dem das Kind flach auf dem Rücken oder auch mal auf der Seite oder im Wachzustand auf dem Bauch liegen kann, empfehlenswert.
Warum Säuglinge so wenig Zeit wie möglich in der Babyschale verbringen sollten, erklärt die Fachfrau wie folgt: «Eine Babyschale schränkt das Kind in seiner Bewegungsfreiheit stark ein. Spätestens nach einer halben Stunde in der Schale braucht es eine Pause, in der es sich frei bewegen kann.» Zudem birgt langes Liegen in der Babyschale das Risiko, dass es am Hinterkopf des Babys zu einer symmetrischen oder asymmetrischen Abflachung des Schädels kommt. Eine Ausbuchtung in der Schale wirkt dieser Gefahr entgegen. Zudem gibt es Babyschalen mit einem kleinen Kissen zur Entlastung des empfindlichen Hinterkopfes.
Grundsätzlich werden der Rücken und die Hüften des Kindes in der Babyschale stark belastet. «Wenn ein Kind bereits eine Restriktion in diesem Bereich hat, wird das Problem durch einen langen Aufenthalt in der Babyschale verstärkt», erklärt Christelle Anyig. Kinder mit Schiefhals nehmen in der Schale ihre Vorzugshaltung ein, was die Therapie verlängert. Babytragewannen bieten den Vorteil, dass das Kind darin flach liegen kann. Bei einem Unfall ist die Belastung für das Kind laut Jürg Reinhard hingegen höher als in einer Babyschale. Diese Alternativen sind nur in besonderen Fällen auf Empfehlung des Kinderarztes sinnvoll, zum Beispiel bei Frühgeborenen oder sehr schwachen Babys.
Mit mehreren Kindern unterwegs
Wer mehrere Kinder in einem Auto transportieren will, muss jedes Kind entsprechend sichern. Beim Transport von zwei Kindern platziert man die Sitze auf den beiden Aussenplätzen der Rückbank. Es dürfen maximal so viele Kinder/Erwachsene transportiert werden, wie laut Fahrzeugausweis zugelassen sind. Weiter darf vom Gesetz her auch der Beifahrersitz für den Kindertransport benutzt werden. Dabei ist es jedoch wichtig, die Bedienungsanleitung für das Fahrzeug zu beachten, weil die Angaben des Autoherstellers oft modellabhängig sind. In jedem Fall muss bei allen rückwärtsgerichteten Kindersitzen (z.B. Babyschalen) auf dem Beifahrersitz der entsprechende Frontairbag deaktiviert werden. Ist dies nicht möglich, darf der Kindersitz nicht montiert werden.
Tipps zum Kauf eine Kindersitzes
- Beachten Sie den jährlich erscheinenden Kindersitztest des TCS.
- Achten Sie darauf, dass der Sitz der Norm ECE R44-03 oder 04 (diese Hersteller orientieren sich am Gewicht des Kindes) oder ECE R129, auch i-Size genannt (diese Hersteller orientieren sich an der Grösse des Kindes), entspricht.
- Beziehen Sie einen gebrauchten Sitz nur aus vertrauenswürdiger Quelle.
Tipps für mehr Sicherheit im Auto
- Sichern Sie sich und Ihr Kind immer, bevor Sie losfahren, auch für kurze Strecken.
- Überprüfen Sie unterwegs von Zeit zu Zeit, ob Ihr Kind noch korrekt gesichert ist.
- Legen Sie auf längeren Fahrten Pausen ein, damit sich Ihr Kind bewegen kann.
- Fahren Sie ruhig.
- Aktivieren Sie bei den hinteren Türen die Kindersicherung.
- Verzichten Sie aufs Rauchen und sorgen Sie für Frischluft.
- Denken Sie sich für längere Strecken Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten aus.
- Vermeiden Sie den Transport von scharfkantigen oder spitzen Gegenständen in Reichweite von Kindern.
- Lassen Sie Ihr Kind nie allein im Auto.
- Wenn Sie kurz aussteigen müssen: Ziehen Sie konsequent den Zündschlüssel ab, wenn Ihr Kind noch im Auto ist.
Gute Frage?
Worauf sollten Schwangere beim Autofahren achten?
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung und der TCS empfehlen werdenden Müttern, am besten in Hosen und mit einer BeSafe-Beckengurtführung zu fahren. Diese Vorrichtung sorgt dafür, dass der Beckengurt unter dem Bauch durchgeführt wird, und schützt das Kind bei einer Kollision vor Extrembelastungen. BeSafe family passt auf jeden Fahrzeugsitz und ist im Babyfachhandel erhältlich. In den letzten drei Monaten sollten Schwangere möglichst wenig und im neunten Monat gar nicht mehr Auto fahren, denn jetzt ist das Kind von immer weniger Fruchtwasser umgeben, was das Verletzungsrisiko bei einem Unfall drastisch erhöht.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.