Kinder brauchen Rituale

Rituale strukturieren den Alltag und geben Kindern Sicherheit und Geborgenheit.

Unter Ritualen versteht man bestimmte Verhaltensweisen, die nach einem festgelegten Schema und klaren Regeln ablaufen und uns aufgrund der Wiederholung immer vertrauter werden. Häufig vollziehen Eltern Rituale unbewusst oder übernehmen sie einfach aus ihrer Kindheit. Rituale geben dem Kind von klein auf Halt: Ob das Weckritual am Morgen, der Tischspruch beim Mittagessen oder das Zubettgeh-Ritual – das Kind kann sich darauf verlassen, dass diese Elemente des Alltags es immer begleiten.
Gerade Kinder, die sich zeitlich schlecht orientieren können, profitieren von einem Leitfaden für den Tag und finden sich damit besser zurecht. Rituale helfen Kindern auch in Krisenzeiten. Wenn sich ein Kind verletzt hat, macht ein «Heile, heile Segen» den Schmerz gleich viel erträglicher. Am Morgen helfen Rituale dabei, das Kind rechtzeitig aus dem Haus zu bringen. Ein Übergangsritual erleichtert den Eintritt in eine neue Phase, das kann zum Beispiel ein kleines Abschiedsritual in der Kindertagesstätte, der Spielgruppe oder im Kindergarten sein.

Machtkämpfe mit dem Kind ade

Rituale tragen zur Beschränkung der Diskussionen am Esstisch bei. Wenn ein Kind weiss, dass es erst dann essen darf, wenn es die Hände gewaschen hat, alle am Tisch sitzen, ein Tischlied gesungen, einander an den Händen gehalten oder guten Appetit gewünscht haben, beginnt die Mahlzeit entspannter. Beim Zubettgehen helfen Rituale, abendliche Machtkämpfe mit dem Kind zu vermeiden. Die Mütterberaterin Christine Schaub aus Basel dazu: «Ein strukturierter Ablauf am Abend – Essen, ruhiges Spielen, Abendtoilette, Vorlesen – hilft dem Kind, sich auf die Nacht vorzubereiten.» Das gibt weniger Diskussionen, weil es sich so vertrauensvoll dem Schlaf hingeben kann und weiss, dass auch morgen noch alles in Ordnung ist.

Was es zu bedenken gilt

Bereits ab dem sechsten Lebensmonat gewöhnen sich Kinder sehr stark an Schlafrituale. Christine Schaub empfiehlt deshalb: «Eltern sollten sich für Rituale entscheiden, die sie über längere Zeit beibehalten wollen, und sich bewusst sein, dass Babys nachts immer wieder kurz wach werden und oft nach dem gleichen Einschlafritual wie am Abend verlangen, weil sie sich noch nicht selber beruhigen können.» Schläft ein Baby immer nur in den Armen der Mutter ein, während diese auf einem Medizinball hüpft, will es jeden Abend und auch mitten in der Nacht – wenn es wach wird – so von ihr gehalten werden. Sinnvoller ist es daher, das Abendritual so zu gestalten, dass das Kind sehr früh lernt, selbständig einzuschlafen. Ideal ist es, wenn die Eltern sich beim Abendritual abwechseln können. So schläft das Kind auch ein, wenn der eine Elternteil mal nicht zu Hause ist.

Endlich Feierabend

Kinder geniessen die Zuwendung und die Aufmerksamkeit, die sie während des Abendrituals von den Eltern erfahren. Viele Kleinkinder versuchen deshalb, das Ritual in die Länge zu ziehen, indem sie zum Beispiel eine zweite Geschichte hören oder noch einen Schluck Wasser trinken wollen. Christine Schaub rät: «Damit die Eltern auch noch etwas vom Feierabend haben, sollten sie das Abendritual zeitlich begrenzen.» Ausgedehnte Abendrituale, bei denen ein Elternteil für längere Zeit verschwindet oder sogar im Kinderzimmer einschläft, sind oft Anlass für Beziehungsprobleme.

So verändern Sie ein Ritual

Schläft Ihr Kind nur ein, wenn Sie es herumtragen, es in den Armen wiegen oder bei ihm liegen? Empfinden Sie das von Ihnen eingeführte Abendritual als mühsam und wollen es ändern? Bedenken Sie, dass sich Kinder nur langsam an veränderte Rituale gewöhnen können. Gehen Sie so vor:

1. Bauen Sie die aktive Einschlafhilfe (Wiegen, Herumtragen) ab.
2. Reduzieren Sie den Körperkontakt.
3. Geben Sie Ihrem Kind ein Plüschtier oder ein Nuschi.
4. Setzen Sie sich ruhig neben das Kind.
5. Beschäftigen Sie sich noch etwas im Zimmer oder gehen Sie hinaus.