Unfälle bei Milchzähnen

Auch wenn Milchzähne durch bleibende Zähne ersetzt werden, sind Zahnunfälle im Kleinkindalter nicht ganz ohne. Was Eltern darüber wissen müssen, erklärt der Spezialist für Kinderzahnunfälle Dr. Hubertus van Waes.

Welche Zahnunfälle sind bei Kleinkindern am häufigsten? Und wie kommt es dazu?

Zu Zahnunfällen kommt es, wenn ein Kind beim Spielen mit oder ohne Hilfe eines Spielkameraden stürzt. Besonders gefährdet sind Kinder, die gerade laufen lernen und zum Beispiel mit dem Kiefer gegen eine Kante stürzen. Nicht immer können mir die Eltern schildern, was genau passiert ist. Oft werden die Zähne bei einem Sturz in den Kiefer geschlagen, ausgeschlagen oder abgebrochen. Solange die Wurzel noch nicht voll ausgebildet ist, also bis zum Alter von etwa dreieinhalb Jahren, kann es auch sehr leicht zu einer Verschiebung des Zahns kommen.

Dr. med. dent. Hubertus van Waes, Oberarzt an der Klinik für Kieferorthopädie und Kinderzahnmedizin des Zahnmedizinischen Zentrums der Universität Zürich

Inwiefern spielt es eine Rolle, ob ein Kind einen Unfall an einem Milchzahn oder an einem bleibenden Zahn erleidet?

Ein Unfall bei einem bleibenden Zahn hat langfristige Folgen. Bei einem Milchzahn hingegen besteht in vielen Fällen eine gute Chance, dass er durch einen gesunden bleibenden Zahn ersetzt wird. Die Therapie bei einem Milchzahnunfall sieht anders aus als nach einem Unfall bei einem bleibenden Zahn. Hier steht nicht die Erhaltung des Zahns im Vordergrund. Deshalb empfehlen wir zum Beispiel keine riskanten Eingriffe wie etwa das Wiedereinsetzen eines ausgeschlagenen Milchzahns. Ist ein Zahn einmal ausgeschlagen, wird die Wurzel von Bakterien besiedelt, was zu einer Infektion und somit zu einer Schädigung des Keims des bleibenden Zahns führen kann.

Wie sollen Eltern reagieren, wenn sich bei einem Unfall ein Milchzahn gelockert hat?

Hier rate ich den Eltern, spätestens am Tag nach dem Unfall mit dem Kind zum Zahnarzt zu gehen. In der Regel wächst ein gelockerter Zahn von allein wieder an. Aus versicherungstechnischen Gründen ist es aber gut, den Befund aufzunehmen. Zudem besteht ein gewisses Komplikationsrisiko.

Wird bei einem Unfall ein Milchzahn verschoben, empfehlen Sie, ihn noch am selben Tag vom Zahnarzt in die richtige Position drücken zu lassen. Warum ist hier schnelles Handeln angesagt?

Wenn ein Zahn verschoben wird, kommt es zu einer Blutung und zur Bildung von Gewebe an der betroffenen Stelle. Schon nach einem Tag bringt man den Zahn nicht mehr in seine ursprüngliche Position zurück, weil der Heilungsprozess schon eingesetzt hat. Deshalb ist es so wichtig, dass der Zahnarzt den verschobenen Zahn noch am gleichen Tag zurückschieben kann. Bleibt der Zahn in der falschen Position, kann es sein, dass das Kind Ober- und Unterkiefer nicht mehr zusammenbringt und somit nicht mehr zubeissen kann. Eine massive Störung der Gebissentwicklung wäre die Folge.

Was empfehlen Sie, wenn ein Stück eines Milchzahns abgebrochen ist?

Auch diese Art von Verletzung sollte man dem Zahnarzt zeigen, weil sie dazu führen kann, dass der Nerv abstirbt und es zu einer Infektion des bleibenden Zahns kommt. Der Zahnarzt kann das Komplikationsrisiko abschätzen. Ist das Zahninnere freigelegt, kann er den Zahn abdecken und so verhindern, dass der Nerv abstirbt. Bei bleibenden Zähnen empfehle ich, das abgebrochene Stück innert Stunden vom Zahnarzt ankleben zu lassen. Hier geht es darum, den Nerv möglichst rasch vor äusseren Einflüssen zu schützen. Die Prognosen sind dann sehr gut.

Während ihrer Entwicklung sind die Keime der bleibenden Zähne sehr empfindlich. Kann ein Sturz auf den Mund sie schädigen?

Nein, das ist eher unwahrscheinlich. Zu einer Schädigung der Keime kommt es durch das Hineinschlagen eines Milchzahns in den Kiefer, einen Infekt, durch das Verschieben eines Milchzahns oder durch eine Blutung im Kiefer.

Tipp

Melden Sie jeden Zahnunfall bei Ihrer Krankenversicherung. Unfälle bei Milchzähnen können zu Spätschäden bei bleibenden Zähnen führen. Wer den Befund nicht von einem Zahnarzt festhalten lässt, riskiert, dass die Krankenkasse später nicht bezahlt.