Kinder profitieren von der Betreuung in einer Kindertagesstätte, einer Spielgruppe oder durch eine Tagesmutter ungemein. Sie lernen von anderen Kindern und entwickeln soziale und sprachliche Fähigkeiten umfassender als Kinder, die seltener Kontakt zu Gleichaltrigen haben. Um den Übergang zur familienergänzenden Betreuung zu erleichtern und zum Wohl des Kindes zu gestalten, gilt es jedoch einiges zu beachten.
So verschieden Kleinkinder auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind auf ihre Eltern als Anlaufstelle angewiesen, um bei ihnen auftanken und sich Sicherheit holen zu können. Wird ein Kleinkind familienergänzend betreut, übernimmt die Erzieherin, Spielgruppenleiterin oder Tagesmutter die Rolle einer weiteren Bezugsperson. Kathy Egli, Psychologin und Ausbildnerin von Kleinkinderzieherinnen in Zürich, weiss, wie wichtig die Erfahrungen bei der ersten Trennung von den Hauptbezugspersonen für ein Kind sind: «Für Babys und Kleinstkinder ist der Übergang an und für sich kein Problem, sondern das Wie ist ausschlaggebend. Geglückte Übergänge sind bereichernde Trennungserfahrungen für das weitere Leben.»
Eingewöhnung ist ein Muss
Damit sich das Kind in seiner neuen Umgebung wohlfühlen kann, ist eine sorgfältige, von den Eltern begleitete Eingewöhnung das A und O. «Mit Eingewöhnung ist nicht gemeint, dass die Eltern ihr Kind an Schnuppertagen in die Kita, die Spielgruppe oder zur Tagesmutter begleiten und mit ihm dort spielen. Es geht auch nicht vordringlich darum, dass das Kind die anderen Kinder kennenlernt oder sich mit der neuen Umgebung vertraut machen kann», sagt Kathy Egli. «Ziel der ersten Eingewöhnungstage ist der Aufbau einer Beziehung zwischen Kind und Erzieherin sowie zwischen Eltern und Erzieherin.» Denn auch für die Eltern ist der Übergang zur Fremdbetreuung ein einschneidendes Erlebnis. Erst wenn sie Vertrauen zur eingewöhnenden Erzieherin gewonnen haben, können sie ihr Kind los- und mit gutem Gewissen zurücklassen. Das Kind spürt die unausgesprochene Erlaubnis der Eltern und kann sich seiner neuen Umgebung zuwenden. Verlangt die Kita, die Spielgruppe oder die Tagesmutter eine von den Eltern begleitete Eingewöhnung, ist das ein Zeichen für gute Qualität.
Das Kind bestimmt das Tempo
Die Eingewöhnung muss geplant werden und den individuellen Bedürfnissen des Kindes entsprechen. Ein bewährtes Eingewöhnungsmodell sieht vor, dass die Eltern das Kind in den ersten Tagen ungefähr für eine Stunde an den neuen Ort begleiten, vorzugsweise an aufeinanderfolgenden Tagen – auch wenn das Kind später nur einmal in der Woche an diesem Ort sein wird. Die Eltern lassen dem Kind Zeit, sich von ihnen zu lösen. Sie sind für das Kind verfügbar und nicht anderweitig beschäftigt mit Spielen, Lesen oder Telefonieren. Sie sind aufmerksam präsent und fungieren als sichere Basis für ihr Kind. Die Erzieherin drängt das Kind nicht zur Kontaktaufnahme, sondern versucht, über das Spiel mit ihm in Kontakt zu kommen. Frühestens am vierten Tag verabschiedet sich die Mutter oder der Vater für kurze Zeit vom Kind. Die Eltern bleiben aber in der Nähe, so dass sie jederzeit zurückkehren können, wenn sich das Kind von der Erzieherin nicht trösten lässt. Wenn sich das Kind in Abwesenheit seiner Mutter für die neue Umgebung öffnen kann, wird die Betreuungszeit allmählich verlängert. Idealerweise besucht das Kind den Betreuungsort in den ersten Wochen jeweils nur halbtags.
Für das Wohlbefinden des Kleinkindes ist es von grösster Bedeutung, dass seine Signale erkannt und respektiert werden und dass es das Tempo der Eingewöhnung selbst bestimmen darf. «Nur wenn das Kind das Gefühl hat, die Kontrolle über die Situation zu behalten, kann es sich ohne Überforderung mit der Übergangssituation auseinandersetzen», weiss Kathy Egli. Untersuchungen belegen, dass sich die Folgen einer ungenügenden Eingewöhnung oft erst nach einem halben Jahr zeigen: Die Beziehung zu den Eltern leidet, das Kind ist häufiger krank, oder es zeigt Entwicklungsverzögerungen.
Vom Kind verabschieden
Bei der täglichen Begleitung in der Übergangsphase sollten die Eltern ihrem Kind bei der Ankunft Zeit lassen, bis es sich wohlfühlt und für den Abschied bereit ist. Sie verbringen zuerst ein paar Minuten mit ihrem Kind und seiner Erzieherin, bevor sie sich mit einem Ritual von ihm verabschieden. Niemals dürfen die Eltern ihr Kind ohne Verabschiedung zurücklassen. Das Kind würde dies als Vertrauensmissbrauch empfinden. Auch dem Baby sollten die Eltern erklären, dass Mama oder Papa jetzt geht, aber zurückkehren wird, um es abzuholen. Mit einem entschlossenen, klaren Abschied können Kinder besser umgehen als mit einem hinausgezögerten. Tränen beim Abschied bedeuten übrigens selten, dass das Kind in der Krippe unglücklich ist. Stresstests haben gezeigt, dass es Kleinkindern besser geht, wenn sie ihre Gefühle ausdrücken dürfen. Wenn das Kind tagsüber manchmal an seine Eltern denkt, ist das ein gutes Zeichen. Die Erzieherin wird nicht versuchen, es abzulenken; sie nimmt seinen Schmerz auf und fasst die Gefühle des Kindes in Worte. Das Kind fühlt sich verstanden und kann sich wieder auf das Spiel einlassen.
Wichtige Qualitätskriterien für die Auswahl eines Betreuungsortes
- Die Kita oder Spielgruppe verfügt über ein pädagogisches Konzept, das im Alltag umgesetzt wird.
- Die Tagesmutter kann ihre pädagogische Haltung formulieren.
- Der Betreuungsort verlangt eine von den Eltern begleitete Eingewöhnung, abgestimmt auf die Bedürfnisse des Kindes.
- Die zuständige Erzieherin ist an allen Eingewöhnungstagen anwesend.
- Sie haben ein gutes Bauchgefühl und können Vertrauen zur eingewöhnenden Erzieherin aufbauen.
- Die Betreuungstage können so festgelegt werden, dass das Kind eine möglichst gleich bleibende Kindergruppe und vertraute Betreuerinnen antrifft.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.