Stillen und arbeiten

Dass Muttermilch für das Neugeborene ideal ist, wird durch zahlreiche Studien belegt. Doch wie lässt sich Stillen mit der Rückkehr an den Arbeitsplatz vereinbaren? Hier ein paar Tipps.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, Babys in den ersten sechs Lebensmonaten ausschliesslich zu stillen. In der Schweiz dauert der Mutterschaftsurlaub aber nur 14 Wochen. Um auch Müttern, die nach dieser kurzen Zeit wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren, das Stillen zu ermöglichen, sieht das Arbeitsgesetz vor, dass Arbeitgeber den Müttern die zum Stillen erforderliche Zeit frei geben müssen. Im ersten Lebensjahr des Kindes gilt die gesamte Zeit, die eine Mutter im Betrieb für das Stillen ihres Babys oder für das Abpumpen von Muttermilch braucht, als Arbeitszeit. Verlässt die Mutter den Arbeitsort, um ihr Baby zu Hause, bei der Tagesmutter oder in der Kindertagesstätte zu stillen, wird die Hälfte der Abwesenheit als Arbeitszeit anerkannt. Die zum Stillen erforderliche Zeit gilt nicht als Ruhezeit. Sie darf weder als Überstundenkompensation ausgelegt noch an die Ferien angerechnet werden. Es ist auf jeden Fall ratsam, die Situation vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz mit dem Arbeitgeber zu besprechen.

Stillen hat Vorteile für alle

Muttermilch enthält alle Nährstoffe, die ein Baby braucht. Ausserdem stärkt sie sein Immunsystem, unterstützt seine Entwicklung und passt sich laufend den Bedürfnissen des wachsenden Kindes an. Auch auf Mütter hat das Stillen einen positiven Einfluss. Sie erkranken seltener an Brust- oder Gebärmutterhalskrebs und finden schneller zu ihrem Normalgewicht zurück. Nicht zuletzt profitiert auch der Arbeitgeber, wenn eine Mitarbeiterin ihr Kind stillt. Gestillte Kinder sind seltener erkältet und erkranken weniger oft an Mittelohrentzündungen oder Magen-Darm-Infektionen. Dies führt zu weniger Abwesenheiten der Eltern am Arbeitsplatz.

So klappt es mit dem Abpumpen

Die grosse Mehrheit der Mütter, die trotz Rückkehr an den Arbeitsplatz weiter stillen wollen, entscheidet sich fürs Abpumpen der Milch. Verena Marchand, Ausbildnerin von Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC aus Bern, empfiehlt Müttern, sich diesbezüglich frühzeitig mit der vorgesetzten Stelle abzusprechen. «Fürs Abpumpen brauchen Mütter einen Rückzugsort, der abschliessbar ist und Sichtschutz bietet. Ausserdem müssen ein Kühlschrank zur Lagerung der Milch und eine Möglichkeit zum Waschen des Brustpumpenzubehörs zur Verfügung stehen», so die Stillexpertin. Sie rät, das Abpumpen mindestens vier Wochen vor der Wiederaufnahme der Arbeit zu üben und die dabei gewonnene Muttermilch gleich einzufrieren. So kann sich die Mutter mit dem Gerät vertraut machen, und das Kind gewöhnt sich daran, die Milch ohne direkten Kontakt zur Mutter zu trinken. «Oft akzeptiert das Baby den Schoppen eher, wenn es ihn in der ersten Zeit von Papa oder einer anderen Person erhält», ergänzt Verena Marchand. Vor der Wiederaufnahme der Arbeit legt die Mutter am besten einen Milchvorrat für die ersten Arbeitstage an und lagert ihn im Tiefkühler.

Die ideale Pumpe

Bei der Wahl der geeigneten Pumpe kann eine Still- und Laktationsberaterin IBCLC helfen. Jede Mutter hat Anspruch auf drei Beratungen durch eine Still-Fachfrau. Die Kosten werden aus der Grundversicherung der Krankenkasse bezahlt. Für Frauen, die selten abpumpen, reicht meist eine Handpumpe aus. Frauen, die häufig oder bei der Arbeit in möglichst kurzer Zeit abpumpen wollen, können mit Hilfe einer elektrischen Pumpe mit Doppelpumpset die fürs Abpumpen notwendige Zeit halbieren.

Abpumpen ja, aber wann?

Das Abpumpen zu Hause funktioniert direkt nach einer Stillmahlzeit am besten, wenn das Kind die Brüste nicht ganz leer oder nur an einer Brust getrunken hat. Morgens, wenn die Frau entspannt ist, fliesst die Milch besonders gut. Damit der Milchfluss nicht versiegt, muss die Mutter regelmässig abpumpen, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot. Je mehr die Mutter abpumpt, desto mehr Milch fliesst. Liegen zwei Stillmahlzeiten weit auseinander, weil das Baby zum Beispiel länger schläft, rät Verena Marchand, zwischendurch abzupumpen. Bei der Arbeit soll die Brust so oft abgepumpt werden, wie die Frau zu Hause stillen würde. Berufstätige stillende Mütter tun gut daran, ihrem Baby kurz vor dem Weggehen die Brust zu geben.
Um den Milchfluss beim Abpumpen bei der Arbeit anzuregen, empfiehlt Verena Marchand eine vorgängige Brustmassage, das Trinken eines warmen Getränks und das Mitnehmen eines Gegenstandes, der an das Baby erinnert (z.B. ein Foto).

Umgang mit Muttermilch

Um die Qualität der abgepumpten Milch möglichst nicht zu beeinträchtigen, ist gründliches Händewaschen mit Flüssigseife vor dem Stillen/Abpumpen und Schöppeln wichtig. Auch die Milchpumpe, Fläschchen und Sauger müssen sauber gehalten werden. Alle Teile der Pumpe, die mit Milch in Kontakt kommen, wäscht man mit kaltem Wasser aus und reinigt sie danach mit Spülmittel. Einmal pro Tag sollte man diese Teile auskochen oder bei über 60° C im Geschirrspüler waschen. Diese Massnahmen tragen dazu bei, dass möglichst wenig Keime in die Milch gelangen.

Aufbewahrung der Milch

Verena Marchand empfiehlt, die Fläschchen bzw. Milchbeutel nach dem Abpumpen mit dem Datum zu beschriften. Muttermilch ist bei Zimmertemperatur (16–29° C) etwa 3 bis 4 Stunden, im Kühlschrank bei 4° C oder kälter 72 Stunden und im Tiefkühler (bei weniger als –17° C) 6 Monate haltbar. «Frauen, die bei der Arbeit abpumpen, sollten darauf achten, dass die Kühlkette auf dem Nachhauseweg nicht unterbrochen wird», erklärt Verena Marchand. «Am besten gelingt dies mit einer Kühltasche und Kühlelementen.»

Wie viel Milch trinkt ein Baby pro Tag?

Die Milchmenge, die ein Baby pro Tag trinkt, entspricht in den ersten drei Monaten etwa einem Sechstel seines Körpergewichts, ab vier Monaten etwa einem Siebtel. Die Portionengrösse fürs Abpumpen errechnen Sie, indem Sie den Tagesbedarf durch die Anzahl Mahlzeiten teilen.

Haben Sie gewusst,

dass die Grundversicherung Ihrer Krankenkasse einen Teil der Kosten für die Miete einer elektrischen Milchpumpe übernimmt? Erkundigen Sie sich aber vorgängig bei Ihrer Krankenkasse nach den Konditionen. Die Kosten für eine Anschaffung werden nämlich in der Regel nicht übernommen, obwohl dies meist günstiger wäre. Falls Sie sich trotzdem für den Kauf eines Gerätes entscheiden, sprechen Sie mit Ihrer Krankenkasse.