Impfungen gehören zu den effektivsten Schutzmassnahmen in der Medizin. Wie sie wirken, erklärt der Impfexperte Ulrich Heininger im Interview mit «Baby&Kleinkind».
Herr Heininger, wie muss man sich die Wirkungsweise von Impfungen vorstellen?
Eine Impfung ahmt die natürliche Infektion nach, ohne dass dabei ein Preis in Form von mit der Krankheit zusammenhängenden Komplikationen bezahlt werden muss. Der grosse Unterschied zwischen dem Impfen und dem Durchmachen der Krankheit liegt darin, dass bei einer Impfung entweder der komplette Erreger oder Bestandteile des unschädlich gemachten Krankheitserregers verabreicht werden. Kommt das Immunsystem später mit dem Erreger in Kontakt, erkennt es ihn wieder und kann ihn erfolgreich abwehren.
Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt, Babys bereits im Alter von zwei Monaten zu impfen. Weshalb so früh?
Während der Schwangerschaft wird das Immunsystem des Babys aufgebaut und unterstützt, indem zum Beispiel Abwehrstoffe der Mutter durch die Plazenta und die Nabelschnur zum Kind gelangen. Bei der Geburt hat das Baby den maximalen Immunschutz erreicht. Dieser lässt jedoch in den ersten Lebensmonaten nach. Zwischen dem dritten Lebensmonat und der Vollendung des ersten Lebensjahrs sinkt er rapide ab. Deshalb ist es empfehlenswert, ein Kind bereits im Alter von zwei Monaten zu impfen, damit es einen eigenen Immunschutz aufbaut, solange noch ein guter, von der Mutter erworbener Immunschutz besteht. Grundsätzlich vertragen zwei Monate alte Babys Impfungen sehr gut.
Welche Ziele werden mit den offiziellen Impfempfehlungen verfolgt?
Einerseits soll das Individuum, andererseits aber auch die gesamte Bevölkerung geschützt werden. Wer sich impft, trägt dazu bei, dass Menschen, die sich zum Beispiel aus medizinischen Gründen (z.B. bei einer Immunschwäche) nicht gegen Masern, Mumps und Röteln impfen lassen dürfen, vor diesen Krankheiten geschützt sind. Mit den Impfempfehlungen unterstützt die Schweiz auch die Bestrebungen der Weltgesundheitsorganisation, Krankheiten wie zum Beispiel die Masern weltweit auszurotten.
In der Schweiz ist es in den letzten Jahren immer wieder zu Masernepidemien gekommen. Warum?
Um die Masern bei uns auszurotten, müssten mindestens 95% der Kinder zweimal dagegen geimpft sein. Dann käme es nicht mehr zu Epidemien, wie das Beispiel Finnland zeigt. In der Schweiz sind zurzeit erst etwa 87% der Kinder gegen diese potenziell gefährliche Krankheit geimpft.
Weshalb empfehlen Sie Eltern, ihre Kinder gemäss Impfplan zu schützen?
Die Entwicklung von Impfstoffen ist eine der grössten Errungenschaften der Medizin. Jedes Kind soll daran teilhaben dürfen und sich dadurch vor zwölf potenziell gefährlichen Krankheiten schützen können. Es gibt viele andere Infektionskrankheiten, gegen die es keinen so effizienten Schutz gibt. Impfen heisst Verantwortung für sein Kind und andere übernehmen.
Haben Sie gewusst,
dass Masern nicht harmlos sind? Masern können zu einer Hirnentzündung und in der Folge zu Epilepsie und Entwicklungsbehinderungen führen. Manchmal endet die Krankheit sogar tödlich. Das Komplikationsrisiko steigt mit dem Alter. Generell dürfen sogenannte Kinderkrankheiten nicht unterschätzt werden.
Wie verträglich sind Impfungen?
An die Verträglichkeit von Impfstoffen werden sehr hohe Qualitätsanforderungen gestellt. Nebenwirkungen treten selten auf und sind in der Regel vorübergehend (z.B. Rötung an der Einstichstelle, Fieber). In den letzten Jahren wurde in der Schweiz kein Impfschaden verzeichnet.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.