Trinkt unser Kind genug?

Diese Frage verunsichert viele Eltern in den ersten Lebensjahren ihres Kindes. Im folgenden Interview gibt Prof. Kurt Baerlocher, Spezialist für Kinderernährung, Tipps rund ums Trinken.

Wie viel sollte ein Baby in den ersten Lebensmonaten trinken?

In den ersten vier bis sechs Lebensmonaten deckt die Milchmenge auch den Wasserbedarf. Muttermilch und Säuglingsanfangsnahrung enthalten etwa 87% Wasser. Der Wasserbedarf wird auf 130 ml/kg Körpergewicht (KG) geschätzt, was einer Milchmenge von 150 ml/kg KG entspricht (Streubreite 130–180 ml). Die Milchmenge sollte einen Liter pro Tag nicht überschreiten. Ich empfehle Eltern, das Trinkverhalten des Kindes gut zu beobachten und nicht zu versuchen, ihr Kind nach einem starren Schema zu ernähren. Die Trinkmenge kann bei den einzelnen Mahlzeiten unterschiedlich sein, die Tagesmenge bleibt aber meist die gleiche.

Prof. Kurt Baerlocher, Kinderarzt und Spezialist für Kinderernährung, St.Gallen

Wann sollten Eltern ihrem Baby Wasser oder ungesüssten Tee verabreichen?

Ein gestilltes Kind braucht in den ersten sechs Lebensmonaten kein Wasser oder ungesüssten Tee, ausser es sei medizinisch indiziert oder ausnahmsweise bei sehr hohen Temperaturen im Sommer. Bei Flaschenkindern, die sich nachts melden, empfehle ich in der Regel, ungesüssten Tee zu verabreichen, um ihnen so das nächtliche Trinken abzugewöhnen und sie nicht zu überfüttern. Nach zehn bis zwölf Wochen sollte das Kind einen Tag-Nacht-Rhythmus entwickelt haben und acht Stunden durchschlafen können. Es gibt aber auch Kinder, die tagsüber zu wenig trinken und in der Nacht kompensieren müssen. Aus diesem Grund sind Verallgemeinerungen heikel.
Nach sechs Monaten nimmt die Trinkmenge entsprechend der Zufuhr von Beikost in Form von Brei ab. Der Tagesbedarf an Wasser beträgt in dieser Zeit etwa 110 ml/kg KG und wird durch Milch und Brei gedeckt.

Wie viel sollten Kleinkinder trinken? Gibt es hier eine Faustregel?

Im zweiten Lebensjahr soll ein Kind etwa 500 ml Milch pro Tag trinken. Durch den Konsum von anderen Milchprodukten reduziert sich diese Menge. Zusätzlich braucht es Wasser oder ungesüssten Tee. Im zweiten bis vierten Lebensjahr beträgt der Flüssigkeitsbedarf etwa 1,2–1,4 l pro Tag. Bei vielen Kindern wird dieser Bedarf nicht ganz gedeckt. Tendenziell essen Kinder zu wenig wasserreiche Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse. Oft trinken sie auch nichts zwischendurch. Andere wiederum haben eine Nuckelflasche umgehängt, um so ihren Bedarf zu decken. Dies führt jedoch zu schlechten Trinksitten. Dauernuckeln beeinträchtigt die Zahnstellung und führt zu Karies, insbesondere wenn das Getränk gesüsst ist.

Welche Konsequenzen sind möglich, wenn ein Kind nicht genug trinkt?

Flüssigkeitsmangel kann zu Verstopfungen führen. Es besteht die Gefahr des Austrocknens. Das Risiko, Nierensteine zu entwickeln, erhöht sich. Zudem fördert eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme Kopfschmerzen und beeinträchtigt sowohl die Konzentration als auch die körperliche Leistungsfähigkeit.

Was können Eltern tun, damit ihr Kind genug trinkt?

Indem sie ihm während der Mahlzeiten und auch zwischendurch immer wieder Wasser oder ungesüssten Tee aus der (Schnabel-)Tasse anbieten. Eltern sollten ein Bewusstsein fürs Trinken entwickeln und dies auch bei ihren Kindern fördern. Trinken ist für die Entwicklung des Kindes genauso wichtig wie Essen.

Ideale Getränke für Kleinkinder

Leitungswasser, Mineralwasser ohne Kohlensäure, ungesüsster Tee. Zuckerhaltige Getränke wie Sirup oder Fruchtsäfte fördern Karies und Übergewicht.

So gewöhnt sich Ihr Kind an Wasser

  • Trinken Sie selber konsequent Wasser – Eltern sind die wichtigsten Vorbilder.
  • Bieten Sie zu den Mahlzeiten immer Wasser an.
  • Servieren Sie Ihrem Kind das Wasser in einem attraktiven Becher.
  • Manche Kinder lieben Strohhalme.
  • Ältere Kinder bevorzugen möglichst kaltes Wasser.

Trinken aus der Tasse

Für die Zahnstellung ist Trinken aus der Tasse oder dem Schnabelbecher besser als aus der Schoppenflasche. Die Mütterberaterin Manuela Meyer-Mäder rät, das Baby ab etwa sechs bis acht Monaten mit dem Trinken aus dem Schnabelbecher vertraut zu machen.