Frauen werden im Beruf oft Steine in den Weg gelegt. Die Juristin und Buchautorin Irmtraud Bräunlich Keller erklärt, was sie in der Schwangerschaft über das Arbeitsrecht wissen müssen.
Frauen nehmen oft berufliche Nachteile in Kauf, wenn sie Mutter werden. Warum?
Viele Mütter wollen Teilzeit arbeiten, was ihre Karrierechancen reduziert. Manche Arbeitgeber haben gegenüber Müttern immer noch Vorurteile. Sie trauen ihnen nicht mehr den vollen Einsatz zu. Deshalb geht Teilzeitarbeit oft mit weniger verantwortungsvollen Positionen einher.
Durch die Geburt eines Kindes verschiebt sich aber auch bei vielen Frauen der Fokus. Die Berufstätigkeit verliert für manche an Bedeutung, was legitim ist. Problematisch wird es dann, wenn Frauen wegen ihrer Mutterschaft eindeutig diskriminiert werden, wenn man Schwangere zum Beispiel dazu drängt, selbst zu kündigen, oder wenn die Zusage zu einer Beförderung rückgängig gemacht wird, weil die Frau Mutter wird. Dank dem Gleichstellungsgesetz kann man sich in solchen Fällen wehren. Leider kennen aber viele Mütter ihre Rechte nicht.
Was raten Sie Paaren, die planen, eine Familie zu gründen?
Sie sollten offen über ihre Wünsche, den Stellenwert der Berufstätigkeit und die organisatorischen Aspekte sprechen. Dazu gehören Fragen wie «Bin ich als Vater bereit, mein Pensum zu reduzieren?», «Wie sieht es mit den Möglichkeiten für die Betreuung des Babys aus?» oder «Sind die jetzige Stelle und der aktuelle Wohnort ideal, um Familie und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen?». Nicht klug wäre, einfach mal zu schauen, wie es dann geht.
Weshalb ist es sinnvoll, nach der Geburt weiterzuarbeiten?
Der Beruf kann identitätsstiftend und befriedigend sein. Aber wichtig ist auch, dass Mütter, die wieder berufstätig sind, nicht vom Partner abhängig werden und die finanzielle Versorgung der Familie nicht nur auf den Schultern des Mannes lastet. Man weiss ja nie, was kommt. In vielen Berufen gibt es laufend Veränderungen. Wer ein Bein im Beruf behält, verpasst den Anschluss nicht und kann später sein Pensum leichter wieder erhöhen.
Müssen Frauen beim Bewerbungsgespräch Fragen zur Familienplanung oder nach einer allfälligen Schwangerschaft beantworten?
Fragen nach der Familienplanung sind nicht erlaubt, da sie nichts mit der Eignung für einen Job zu tun haben. Frauen dürfen hier sogar zu einer Notlüge greifen, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen kurz nach einem allfälligen Stellenantritt gekündigt wird. Wenn sie die Arbeit aber wegen der Schwangerschaft nicht ausführen können, weil dies für das Ungeborene gefährlich wäre, oder sich der Beruf – zum Beispiel Balletttänzerin oder Fotomodell – wegen des wachsenden Bauchs bald nicht mehr ausüben lässt, muss die Frau den potenziellen Arbeitgeber informieren.
Wann sollen Frauen ihren Arbeitgeber über eine Schwangerschaft in Kenntnis setzen?
Das ist der werdenden Mutter freigestellt. Ich empfehle, die ersten drei Monate abzuwarten, da das Risiko für eine Fehlgeburt in dieser Zeit relativ hoch ist. Den Vorgesetzten sollte man spätestens dann informieren, wenn man Schonung braucht und nicht mehr die volle Leistung erbringen kann.
Welche Rechte haben Schwangere in einer Festanstellung?
Der Arbeitgeber muss auf die Gesundheit der Schwangeren und des Ungeborenen besonders Rücksicht nehmen. Es gibt einen umfangreichen Katalog von gesetzlichen Schutzbestimmungen – zum Beispiel für Frauen, die viel stehen müssen oder die mit gefährlichen Stoffen hantieren. Ausserdem dürfen werdende Mütter ihre Arbeit jederzeit niederlegen, sie müssen den Arbeitgeber nur informieren. Wird die Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Zeugnis bestätigt, besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Frauen geniessen – nach der Probezeit – während der Schwangerschaft und bis 16 Wochen nach der Geburt Kündigungsschutz.
Ab wann genau gilt dieser Kündigungsschutz?
Ab der Befruchtung der Eizelle. Wenn ein Arbeitgeber trotzdem die Kündigung ausspricht, kann die Schwangere schriftlich dagegen protestieren. Die Kündigung ist nichtig, die Frau bleibt weiter angestellt und hat Anspruch auf Lohn und Mutterschaftsentschädigung. Der Arbeitgeber kann ihr frühestens 16 Wochen nach der Geburt unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist kündigen. Selbst wenn die Frau zum Zeitpunkt der Kündigung noch nichts von der Schwangerschaft weiss, kann sie sich später nachträglich wehren. Im Zweifelsfall muss sie allerdings mit einem Arztzeugnis belegen, dass sie bereits schwanger war, als sie die Kündigung erhielt.
Der Kündigungsschutz gilt nicht, wenn die Schwangere selbst kündigt, einem Aufhebungsvertrag zustimmt oder wenn der Arbeitsvertrag befristet ist.
Wie sehen die Rechte von werdenden Müttern in der Probezeit aus?
Einer Schwangeren kann in der Probezeit noch gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber mit der Leistung unzufrieden ist oder sich organisatorische Veränderungen im Betrieb ergeben haben. Wenn ein Arbeitgeber aber nur deshalb kündigt, weil er erfahren hat, dass die neue Mitarbeiterin schwanger ist, dann ist das gemäss Gleichstellungsgesetz diskriminierend, und die Frau kann eine Entschädigung einklagen. Am besten wartet man das Ende der Probezeit ab, bevor man den Arbeitgeber über eine Schwangerschaft informiert. Viele Frauen wollen aber ehrlich sein. Diesen werdenden Müttern rate ich, den Arbeitgeber zuerst um eine Beurteilung ihrer Leistung zu bitten, bevor sie ihn über ihre Schwangerschaft informieren. Kündigt ihnen der Arbeitgeber dann, liegt der Verdacht nahe, dass die Schwangerschaft der Grund ist.
Wie sieht die Situation bei Schwangeren aus, die im Stundenlohn angestellt sind?
Rechtlich macht das gegenüber Angestellten im Monatslohn keinen grossen Unterschied. Frauen im Stundenlohn werden an Feiertagen nicht bezahlt und haben ein schwankendes Einkommen. Dennoch haben sie Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Absenzen aufgrund der Schwangerschaft und auf Mutterschaftsgeld. Zur Berechnung nimmt man den Durchschnittslohn.
Was empfehlen Sie werdenden Müttern, die nach der Geburt Teilzeit weiterarbeiten wollen?
Mütter haben nicht grundsätzlich ein Anrecht auf eine Reduktion ihres Pensums. Sie sollten deshalb frühzeitig mit dem Arbeitgeber darüber sprechen und sich am besten vorab Lösungen überlegen, die ein Teilzeitpensum möglich machen. Damit steigen die Chancen, dass der Arbeitgeber einwilligt. Sie sollten die neuen Konditionen aber unbedingt vor der Geburt aushandeln und vertraglich festhalten.
Manche Schwangere lassen sich dazu überreden, den Arbeitsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufzulösen. Weshalb ist das nicht sinnvoll?
Damit versuchen manche Arbeitgeber, den Kündigungsschutz für Schwangere zu umgehen. Eine werdende Mutter kann aber nicht gezwungen werden, sich auf eine solche Vereinbarung einzulassen, die oft zu ihrem Nachteil ist. Sie kann sich jederzeit auf den Kündigungsschutz berufen. Unter Umständen kann eine einvernehmliche Vertragsauflösung auf Ende des Mutterschaftsurlaubs sinnvoll sein, wenn die Arbeitnehmerin sich entschieden hat, nicht mehr in diesen Betrieb zurückzukehren. Frauen, die diesbezüglich unsicher sind, sollten sich vor der Unterzeichnung eines Vertrags beraten lassen.
Was können Frauen tun, die in ihrem Job wegen ihrer Schwangerschaft oder Mutterschaft diskriminiert werden?
Das Gleichstellungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der familiären Situation oder einer Schwangerschaft. Betroffene sollten gegen die Diskriminierung protestieren und sich bei einer Fachstelle für Gleichstellung oder einer Schlichtungsstelle zum Vorgehen gegen Diskriminierung im Erwerbsleben beraten lassen. Das ist kostenlos. Wird eine Frau am Arbeitsplatz wegen ihrer Schwangerschaft oder Mutterschaft diskriminiert, muss sie dies nicht beweisen, sondern nur glaubhaft machen.
Viele Frauen wehren sich aber nicht, weil sie Angst vor einer Rachekündigung haben.
Dank dem Gleichstellungsgesetz gilt ab dem Moment, in dem sich die Frau im Betrieb gegen die Diskriminierung wehrt, bis und mit sechs Monate nach Abschluss des Verfahrens ein Kündigungsschutz. Kündigt ihr der Arbeitgeber ohne begründbaren Anlass trotzdem, kann das Gericht die Wiedereinstellung der Frau anordnen oder ihr eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen zusprechen.
Was empfehlen Sie Müttern, die nach der Geburt nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren wollen?
Diese Frauen sollten nach der Geburt auf Ende des Mutterschaftsurlaubs kündigen.
Gleichstellungsgesetz
Frauen und Männer dürfen weder aufgrund ihres Geschlechts noch wegen ihrer familiären Situation (Schwangerschaft, Kinder) benachteiligt werden. Betroffene können zum Beispiel vom Gericht eine Diskriminierung feststellen und verbieten lassen. Unter Umständen besteht auch Anspruch auf eine Entschädigung.
Buchtipp
Mutter werden – berufstätig bleiben: Möglichkeiten – Rechte – Lösungen. Irmtraud Bräunlich Keller, Beobachter Edition, 2019.
Info
Mutterschaftsurlaub
Bis 8 Wochen nach der Geburt dürfen Mütter nicht beschäftigt werden. Sie haben das Recht, 16 Wochen zu Hause zu bleiben. Das Gesetz sieht vor, dass sie während der ersten 14 Wochen nach der Geburt eine Mutterschaftsentschädigung erhalten, die 80 Prozent des Lohns beträgt. Maximal versichert ist ein Monatslohn von 7350 Franken. Mütter erhalten also höchstens 196 Franken pro Tag. Manche Arbeitgeber bieten ihren Angestellten eine Entschädigung, die über das gesetzliche Minimum hinausgeht.
Gute Frage?
Welche Rechte haben Eltern, wenn ihr Kind krank ist?
Die Mutter oder der Vater dürfen bis zu drei Tage pro Krankheitsfall zu Hause bei ihrem Kind bleiben. Der Arbeitgeber muss den Lohn bezahlen, wie wenn die betreffenden Angestellten selbst krank wären. Er kann aber ein ärztliches Zeugnis verlangen. Ist ein Kind schwer krank und die Anwesenheit der Eltern unverzichtbar, muss er der Mutter oder dem Vater längere Zeit freigeben und den Lohn fortzahlen. Die Beurteilung des Gesundheitszustands des Kindes ist Sache des Arztes.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.