Die Geburt des ersten Kindes stellt das Leben der Eltern auf den Kopf. Das Neugeborene erfüllt sie mit Glück – gleichzeitig bringt die neue Situation auch Herausforderungen mit sich.
Das erste Kind stellt die Beziehung der meisten Paare auf die Probe. Plötzlich ist alles anders. Vor der Geburt hatte jeder Partner neben der gemeinsam verbrachten Freizeit auch noch Zeit für eigene Interessen. Diese müssen jetzt zurückgestellt werden, und für die Zweisamkeit fehlt ebenfalls die Zeit. «Beide Partner können nicht mehr frei über ihre Zeit verfügen, sondern müssen sich absprechen. Das kann zu Spannungen führen», sagt Josef Jung, Psychotherapeut und Mitglied der Leitung des Instituts für Kinder-, Jugendlichen- und Familientherapie in Luzern. Auch wenn der neue Mitbewohner noch klein ist, brauchen Stubenwagen, Krabbeldecke, Bettchen und Wickeltisch Platz, der oft knapp ist.
Wenn sich die Rollen verändern
Nach der Geburt des ersten Kindes fehlen der Frau während des Mutterschaftsurlaubs oder bei Aufgabe des Berufs viele Aussenkontakte. Doch auch auf die Männer hat die neue Situation Auswirkungen. «Manche Männer erleben einen ‹Ernährer-Schock›. Plötzlich finden sie sich in der scheinbar überholten männlichen Geschlechterrolle des Alleinernährers», weiss Josef Jung. Spannungen sind auch möglich, weil das nun meist niedrigere Einkommen für drei reichen muss. «Der Übergang von einer Zweier- zu einer Dreierbeziehung ist eine Herausforderung.»
Die eigene Kindheit
Mutter und Vater werden – gewollt oder nicht – mit den Erfahrungen aus der eigenen Kindheit konfrontiert. Sie stellen sich Fragen wie: «Was will ich so machen wie meine Eltern, was hingegen ganz anders?» Unterschiedliche Vorstellungen können zu einem Kampf um die «bessere» Herkunftsfamilie führen. Josef Jung dazu: «Die Suche nach Halt bei den eigenen Eltern unter gleichzeitiger Abgrenzung kann zu einer Gratwanderung werden.»
Zeit zu zweit
Eltern sollten nie vergessen, dass sie auch noch ein Paar sind. Jedem Elternpaar tut es gut, immer wieder Momente zu zweit zu geniessen. Die wichtigste Massnahme zur Überwindung von Beziehungskrisen sind Gespräche. «Da sich auch die Lust auf Sex nach der Geburt verändern kann, darf dieses Thema dabei nicht ausgespart werden», empfiehlt Josef Jung.
Herrscht dicke Luft, wäre es falsch, sich die Zeit für eine Aussprache nicht zu nehmen und sich stattdessen in die Arbeit zu stürzen. Ebenfalls kontraproduktiv ist es, Streit negativ zu bewerten oder ihm auszuweichen. Ein Paar, das alles nur noch «wegen dem Kind» tut, läuft Gefahr, sich auseinanderzuleben. Reden über Erwartungen, Bedürfnisse und Vorstellungen hilft vielen Paaren, eine Krise zu überwinden.
Tipps für eine gute Beziehung:
Entscheidend für die Dauer und die Qualität einer Beziehung ist die Fähigkeit zur Kommunikation. Nehmen Sie sich wöchentlich zweimal eine halbe Stunde oder einmal eine Stunde Zeit für Gespräche mit Ihrem Partner. Der Termin gehört in die Agenda. Nutzen Sie diese Zeit nicht für die Alltagsplanung, sondern für den Austausch über Ihre Befindlichkeit. Erzählen Sie von sich und verzichten Sie auf Schuldzuweisungen. Teilen Sie Ihrem Partner mit, was Ihnen nicht behagt, wo Sie mehr Unterstützung möchten oder wo Sie sich missverstanden fühlten.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.