Kinder brauchen Nährstoffe, um sich gut zu entwickeln. Doch sollen sie Vitamin- und Mineralstoffpräparate einnehmen?
Heute sind immer mehr Forschende der Meinung, dass Vitamine und Mineralstoffe bei der Prävention von Krankheiten wahrscheinlich nicht allein eine Rolle spielen, sondern die bioaktiven Substanzen, sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, mindestens genauso wichtig sind. Deshalb wirkt ein gesamtes Lebensmittel anders als ein Vitamin- und Mineralstoffsupplement. So manche Eltern in der Schweiz fragen sich, ob ihr Kind Nährstoffpräparate braucht, um einer Unterversorgung vorzubeugen.
Vitaminmangel bei Kindern: Aktuelle Daten
Wie es um die Nährstoffversorgung der Kinder in der Schweiz steht, wird das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV in einer Verzehrstudie bei Kindern und Jugendlichen untersuchen. Die Ergebnisse werden aber erst in einigen Jahren vorliegen. Eine Studie aus Deutschland kam zum Schluss, dass die Mehrheit der Kinder ausreichend mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt ist. Angelika Hayer von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE sagt dazu: «Bei den Vitaminen D und E sowie bei Folat, Jod, Kalium, Kalzium und Eisen werden die Zielwerte jedoch nicht immer erreicht.» Der Bedarf an diesen Nährstoffen könnte an sich über eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden. «Eine Ausnahme bildet Vitamin D», weiss die Ernährungsspezialistin.
Vitamin D – das Sonnenvitamin
Das fettlösliche Vitamin D fördert im Darm die Aufnahme von Kalzium sowie dessen Einlagerung in die Knochen, was für eine gesunde Knochen- und Zahnbildung notwendig ist. Vitamin D wird vor allem durch die Einwirkung von Sonnenlicht in der Haut gebildet. 90 Prozent unseres Bedarfs werden durch diese körpereigene Vitamin-D-Produktion gedeckt. Im Sommer genügt ein Aufenthalt von 20 Minuten im Freien, um eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten. In den Wintermonaten ist die Sonneneinstrahlung in unseren Breitengraden aber so gering, dass in der Haut praktisch kein Vitamin D gebildet wird.
Vitamin-D-Mangel: ein weit verbreitetes Problem
Eine vom Bundesamt für Gesundheit 2012 durchgeführte Studie belegte bei 60 Prozent der Studienteilnehmenden einen Vitamin-D-Mangel in den Wintermonaten (Dezember bis März). Lässt sich ein solcher Mangel durch entsprechende Ernährung verhindern? Angelika Hayer erklärt dazu: «Über die Nahrung allein kann der Vitamin-D-Bedarf kaum gedeckt werden. Denn nur wenige Lebensmittel enthalten von Natur aus Vitamin D. Relevante Mengen sind in Fisch wie Lachs, Felchen und Sardinen sowie in Pilzen enthalten, kleinere Mengen in Milch und Milchprodukten. Um den Vitamin-D-Bedarf allein durch die Nahrung zu decken, müssten jedoch täglich riesige Portionen dieser Lebensmittel konsumiert werden.»
Vitamin D: für die Kleinsten besonders wichtig
Zur Vorbeugung einer Unterversorgung empfiehlt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, Kindern bis zum dritten Geburtstag während des ganzen Jahres Vitamin-D-Supplemente zu geben. Danach soll Vitamin D dann verabreicht werden, wenn die Sonnenexposition ungenügend ist (z.B. in den Wintermonaten) oder wenn eine chronische Erkrankung vorliegt. Am besten nimmt man dazu Tropfen auf Öl-Basis. Wichtig ist, dass die Eltern die Tropfen gemäss Packungsbeilage oder der Empfehlung des Arztes verabreichen. Eine Überdosierung kann die Gesundheit schädigen.
Risiko für Nährstoffmangel
Nahrungsergänzungsmittel brauchen Kinder laut Angelika Hayer bei bestimmten Krankheiten, bei nachgewiesenem Mangel oder wenn ganze Lebensmittelgruppen komplett gemieden werden und das Nährstoffdefizit nicht durch andere Lebensmittel kompensiert werden kann. Sie erläutert: «Dies kann zum Beispiel bei Allergien oder einer veganen Ernährung der Fall sein.» Wird ein Kind vegan ernährt, muss unbedingt Vitamin B12 supplementiert werden, weil dieses Vitamin nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Angelika Hayer empfiehlt, von der Kinderärztin oder dem Kinderarzt überprüfen zu lassen, ob weitere Nahrungsergänzungsmittel nötig sind, die zum Beispiel Eisen oder Omega-3-Fettsäuren enthalten.
Vitamine für Kinder: überdosierte Präparate
In Deutschland hat die Stiftung Warentest vor einigen Jahren aufgezeigt, dass viele Nahrungsergänzungsmittel für Kinder Vitamine und Mineralstoffe in einer höheren Dosis enthalten, als deklariert wird. Diese Praxis ist auch in der Schweiz zulässig. Grund dafür ist der Umstand, dass sich der Vitamingehalt eines Präparates während der Lagerung reduziert. Durch die Überdosierung soll gewährleistet werden, dass ein Präparat beim Ablauf des Haltbarkeitsdatums mindestens noch jene Vitaminmenge enthält, die auf der Verpackung angegeben ist. Bei wasserlöslichen Vitaminen wie zum Beispiel Vitamin C ist ein Überschreiten der empfohlenen Tagesdosis meist unproblematisch, weil es vom Körper mit dem Urin ausgeschieden wird, wenn man zu viel davon aufnimmt. Anders sieht es bei fettlöslichen Vitaminen wie den Vitaminen A, D, E und K aus. Sie werden im Körper gespeichert und können sich anreichern. Vitamin A unterstützt die Sehkraft, ein Zuviel davon kann jedoch zu Kopfschmerzen und Hautproblemen führen. Auch wenn manche Nährstoffpräparate wie eine Süssigkeit aussehen oder schmecken, sind sie nicht zum Naschen gedacht. Eine Überdosierung von Nährstoffpräparaten kann im schlimmsten Fall zu Vergiftungserscheinungen führen, die Aufnahme anderer Nährstoffe behindern oder eine Mehrbelastung für die Nieren bedeuten.
Die Natur als idealer Lieferant
Abgesehen von Vitamin D müssen in der Regel keine weiteren Stoffe über Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden, wenn die Ernährung ausgewogen und abwechslungsreich ist. «Warum soll ein Kind ein Vitamin-C-Präparat einnehmen, wenn es den Bedarf auch über den Konsum von Früchten und Gemüse decken kann? Früchte und Gemüse liefern nicht nur Vitamine und Mineralstoffe, sondern auch Nahrungsfasern und sekundäre Pflanzenstoffe, die gut für die Gesundheit sind», sagt Angelika Hayer. Bei speziell für Kinder konzipierten Lebensmitteln, die mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind, lohnt es sich ebenfalls, genauer hinzuschauen. «Nicht immer ist ein Lebensmittel mit zugesetzten Vitaminen die beste Wahl. Leider zeigt die Realität, dass einige dieser spezifischen Produkte viel Zucker enthalten und deshalb für die Kleinen nicht ideal sind.» Grundsätzlich rät Angelika Hayer Eltern, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, zu der viel Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Milchprodukte, regelmässig Hülsenfrüchte und kleine Mengen an Fleisch und Fisch gehören.
So schmecken Gemüse und Obst
- Bieten Sie Ihrem Kind Gemüse zwischendurch mal als Rohkost zum Dippen oder als Salat anstatt gekocht.
- Frieren Sie frische Beeren kurz ein und bieten Sie sie dem Kind als Glace an.
- Schneiden Sie Obst in mundgerechte Stücke oder stecken Sie es auf Spiesschen.
- Bieten Sie Ihrem Kind Früchte und Gemüse auch mal als Saft an.
- Pürieren Sie Gemüse zu Suppen.
- Ergänzen Sie Aufläufe oder Risotto mit fein geschnittenem Gemüse.
- Lassen Sie Ihr Kind mitkochen. Was es selbst zubereitet, isst es besonders gern.
Warum erhalten Neugeborene Vitamin K?
Vitamin K unterstützt die Blutgerinnung. Ein Vitamin-K-Mangel ist bei Neugeborenen nicht selten. In der Schweiz erhalten Babys deswegen jeweils vier Stunden, vier Tage und vier Wochen nach der Geburt eine Dosis Vitamin K, um in den ersten Lebenswochen Blutungen vorzubeugen, die in seltenen Fällen gefährlich sein können.
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Weitere Informationen:
Die Website kinderandentisch.ch informiert über die Ernährung von Babys und Kleinkindern.
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.