Ein gut trainierter Beckenboden schützt nach der Geburt vor Organsenkungen und Blasenschwäche.
Die Muskulatur des Beckenbodens bildet den unteren Abschluss des Beckens und ist Teil einer Rumpfkapsel, zu der auch die Bauchwand, der Rücken und das Zwerchfell gehören. Das erklärt, weshalb der Beckenboden durch die Atmung beeinflusst wird. In der Schwangerschaft und unter der Geburt dehnt sich diese Rumpfkapsel, die einmal straff war, aus, und der Beckenboden wird durch die Gewichtszunahme belastet. «Unter dem Einfluss der während der Schwangerschaft und der Geburt ausgeschütteten Hormone werden die Gelenkverbindungen im Becken lockerer, und der Beckenboden wird weicher», erklärt Helene Gschwend Zurlinden, Hebamme und Atemtherapeutin mit Praxis in Bern. Das sei notwendig, damit sich das Kind seinen Weg durchs Becken bahnen könne.
Wahrnehmen des Beckenbodens
Viele Frauen haben Mühe, den Beckenboden zu spüren. Helene Gschwend Zurlinden empfiehlt, in der Schwangerschaft Übungen zur Wahrnehmung zu machen, denn während der Geburt sei es essenziell, zu wissen, wie dieser Muskel sich durch den Einfluss der Atmung öffnen und später wieder schliessen lässt. Die Wahrnehmung der Beckenknochen ist oft einfacher als die der Muskulatur. Das Schliessen kann über die Knochen geschehen, zum Beispiel durch das Zusammenziehen der Sitzbeinhöcker. So wird die Muskulatur aktiviert. Das Öffnen erfolgt via Atmung und Entspannung sowie durch das Ausstossen bestimmter Laute und muss geübt werden.
Im Wochenbett
Helene Gschwend Zurlinden beobachtet, dass heute viele Wöchnerinnen baldmöglichst wieder fit sein wollen. Sie sagt: «Die gedehnten Strukturen müssen sich aber zuerst erholen.» Aus diesem Grund empfiehlt sie allen Wöchnerinnen, sich in den ersten Wochen nach der Geburt möglichst zu schonen. Das sei auch für das Verheilen der Geburtsverletzungen wichtig. Auch heute noch sind die Empfehlungen früherer Generationen sinnvoll: «Die erste Woche nach der Geburt sollten Mütter im Bett, die zweite auf dem Bett und die dritte ums Bett verbringen.» Schonung hilft, Organsenkungen und auch Blasenschwäche vorzubeugen. Ein Miederhöschen in den ersten Wochen stützt den Bauch und den Rücken und sorgt für Entlastung.
Schutz vor Blasenschwäche im Alltag
In der ersten Zeit sollten Mütter keine Lasten tragen, die schwerer als ihr Kind sind. Zudem ist Stillen im Liegen eine gute Option. Helene Gschwend Zurlinden rät klar davon ab, das Kind in der Babyschale herumzutragen: «Das strapaziert den Beckenboden enorm und macht sich am Abend oft als Ziehen im Unterleib bemerkbar.» Besser sei, das Kind für kurze Distanzen körpernah in einer Tragehilfe zu tragen oder für längere im Kinderwagen zu transportieren.
Das muss frau wissen
Grundsätzlich empfiehlt die Expertin allen Frauen, Lasten mit geradem Rücken und unter Anspannung des Beckenbodens hochzuheben. Wichtig ist auch die Sitzhaltung auf der Toilette. Die Hebamme erklärt: «Für das kleine Geschäft sollten Frauen sich aufrichten und das Becken leicht nach vorn kippen, damit der Urin leichter rausfliessen kann und sie den Beckenboden aktiv schliessen können. Das grosse Geschäft lässt sich besser mit rundem Rücken, also mit nach hinten gekipptem Becken, erledigen.» Zudem rät die Fachfrau, nicht gleich beim ersten Impuls zur Toilette zu gehen, sondern erst beim zweiten oder dritten. Auf dem stillen Örtchen sollten Frauen sich immer Zeit lassen.
Beckenbodentraining im Wochenbett
Bereits im Wochenbett können Frauen mit sanften Beckenbewegungen beginnen und den Atem ins Becken fliessen lassen. Mit der Rückbildungsgymnastik dürfen Frauen, die spontan geboren haben, drei Wochen nach der Geburt beginnen. Nach einem Kaiserschnitt sind sechs Wochen empfohlen. Damit es nicht zu Organsenkungen kommt, müssen alle Wände der Rumpfkapsel, also neben dem Beckenboden auch die Bauch- und Rückenmuskulatur sowie das Zwerchfell, gestärkt werden (siehe Textkasten unten).
Training in jedem Alter
Schwangerschaft und Geburt sind eine Chance, sich mit dem Beckenboden zu beschäftigen und den eigenen Körper besser kennenzulernen. «Der Beckenboden braucht aber ein Leben lang unsere Aufmerksamkeit, unabhängig davon, ob eine Frau geboren hat oder nicht», weiss die Hebamme. Gebärmutter- oder Blasensenkungen sowie Blasenschwäche können auch bei Frauen auftreten, die nie schwanger waren. Sie empfiehlt regelmässiges Training insbesondere Frauen mit einer sitzenden Tätigkeit, mit chronischem Husten oder jenen, die im Job schwere Lasten tragen müssen. Ein gut trainierter Beckenboden beeinflusst letztlich auch unseren Energiehaushalt positiv.
Info
Mit diesen Mitmachvideos stärken Sie Ihren Beckenboden
Gesundheitsförderung Schweiz hat drei Videos produziert, die Ihnen helfen, den Beckenboden zu spüren und zu trainieren.
Link zum Video «Den Beckenboden kennenlernen»
Link zum Video «Wahrnehmung des Beckenbodens nach der Geburt»
Link zum Video «Kräftigung des Beckenbodens nach der Geburt»
Autorin: Susanna Steimer Miller ist Journalistin und hat sich auf Themen rund um die Schwangerschaft und Geburt sowie die Gesundheit, Ernährung, Entwicklung und Erziehung des Kindes in den ersten fünf Lebensjahren spezialisiert.